Dies ist Dein Frieden

Prag 1968

Vier Jahre nach der Zerschlagung des „Prager Frühlings“ kam ich 1972 mit einer Schülergruppe nach Prag, und die Bilder der Panzer in Prag und die Selbstverbrennung des Studenten Jan Palach als Protest gegen das Moskauer Diktat waren noch unvergessen. Der „Prager Frühling“ 1968 – eine Hoffnung, die allzu schnell dem Imperialismus der Sowjetunion zum Opfer fiel. Ein weiteres Mal nach Berlin, Warschau, Sofia und Budapest.

Die Sowjetunion löste sich auf – Russlands Politik änderte sich mit der Machtübernahme Putins nicht. Die Liste der Militärinterventionen ist länger geworden, und die Brutalität führt damals und heute bis zur Vernichtung ganzer Städte und Länder: Georgien, Armenien,Aleppo, Libyen, Krim, Ukraine…?

Plakate an der Prager Universität

Text : Dies ist Dein Frieden
Text: Das ist der Imperialismus

Heute rollen wieder einmal Panzer in eine europäische Hauptstadt ein, um die Sehnsucht der Menschen nach einem würdigen Leben in Freiheit und Demokratie mit Panzern niederzuwalzen. Die Steigerung der imperialistischen sowjetischen Besetzungen der Sowjetunion innerhalb des Warschauer Paktes bis hin zu Putins Revisionswahn ist die kalte, völkerrechtswidrige, mörderische Kriegsführung, sind Kriegsverbrechen, die vorsätzlich Zivilisten tötet und humanitäre Einrichtungen wie Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten angreift, Lebensmittellager und Wasserleitungen zerstört, um die Menschen zu zermürben.

Text : Die beste Methode der Verwendung

1972 hatte sich das Leben in Prag zwangsläufig normalisiert, unter der Firnis die Trauer und Hoffnungslosigkeit bedeckend.

Damals im „kalten Krieg“ wie heute in Zeiten der Globalisierung hatte der Rest der Welt der sowjetischen Aggression wenig entgegenzusetzen. Es war diese Stimmung, die immer noch überall zu spüren war.

Doch in allen Krisen haben Menschen der sich nach und nach einschleichenden Resignation Widerstand entgegengestellt. Ein Zeichen hierfür sah ich, als ich in meinem Hotelzimmer beim Einräumen meiner Sachen die Schranktür öffnete. Groß eingeritzt in die Innenseite der Schranktür stand 3:2 ohne weiteren Kommentar. Mein Gedächtnis brauchte nicht lange, um die Bedeutung zu verstehen. Es war ein Ausdruck der Freude und Revanche. Mit 3:2 besiegte das Team der Tschechoslowakei die Sowjetunion und wurde 1972 Eishockeyweltmeister durch diesen Triumph gegen die Unterdrücker. Ein verstecktes Zeichen und ein Schritt zu wieder aufkommender Hoffnung und Selbstbewußtseins.Vor allem wegen der großen Bedeutung dieser Sportart in beiden Ländern.

Prag war voller Touristen und konnte in seiner Schönheit wieder besucht werden. Die Schäden der Besetzung waren weitestgehend beseitigt, die Infrastruktur, auch die touristische, funktionierte. Meine Warnungen über die Gefahr Geld schwarz umzutauschen wurden aufgenommen. Was ich nicht wußte, die Busfahrer beider Länder hatten den Umtausch des Geldes, um die offizielle grosse Spanne zu umgehen, und den Export des begehrten Krimsektes untereinander organisiert. Und trotzdem blieben ein gewisses Unbehagen und latente Angst wegen der ständigen Überwachung. Das hatte schon beim Grenzübergang begonnen mit penibler Passkontrolle, Durchsuchung des Busses. Schlimm war, dass einigen Schülern die Haare abgeschnitten wurden, da die langen Haare einiger nicht mit ihren Passbildern übereinstimmte. Eine Schikane und bewusste Demütigung der ja so dekadenten Westler. Schlimm auch besonders deshalb, weil sie ihrer „langen Haare“ wegen schon zu Hause oft Druck und Diskussionen ausgesetzt waren und sich davon nicht haben beeinflussen lassen. Hier, der kalten Macht ausgeliefert, half kein Protest gegen diese Schikane, weil im Falle der Weigerung die Einreise verhindert wurde. Als begleitender Lehrer war ich nicht in der Lage, ihnen diese Erfahrung zu ersparen. Ein Lehrstück über staatliche Willkür war es allemal, besser als jeder Unterricht dies hätte vermitteln können

Strahlendes Wetter in dieser wunderschönen Stadt ließ uns die Tage dennoch genießen. Auf der Karlsbrücke über die Moldau mit dem Blick auf die Prager Burg kam dann die politische Realität für mich zurück. Ein älterer Herr hatte unsere Gruppe beobachtet, sprach mich an und fragte, ob ich etwas Zeit hätte, um miteinander zu sprechen. Er habe 1968 an der Universität Poster und Handzettel gesammelt und bat mich, diese mit in den Westen zu nehmen als Dokumentation dieser Zeit. Wir trafen uns abends bei Luka zu Hause und verbrachten einen schönen und spannenden Abend. Zum Abschied gab er mir eine Tüte mit den Dokumenten, und wir umarmten uns lange, wissend um die geringe Wahrscheinlichkeit eines Wiedersehens.


Lukà hatte seine Form des Widerstandes gefunden und für sich zu einem Abschluss gebracht.

Mir wurde wohl durch die Euphorie dieser Begegnung erst kurz vor der Grenze klar, welches Risiko ich eingegangen war. Kurz vor der Grenze mussten doch, trotz aller Warnungen, einige der Gruppe austreten – Folge zu vieler Flaschen Pilsener Urquells vor der Rückfahrt. Damit war klar, dass unser Bus besonders genau durchsucht werden würde. Man suchte immer sogenannte Übertritte Einheimischer in den Westen zu verhindern.

Ich versteckte alleDokumente unter Pullover und Mantel um den Körpermitte verteilt und hatte Glück. Wir mußten aussteigen, und der Bus wurde gründlichst gefilzt, nicht aber wir. Nur langsam beruhigte sich mein Puls und niemand hatte etwas von meiner Nervosität bemerkt.

Damals konnte ich die Zeitdokumente nur herumreichen und zeigen. Anläßlich der Kriegsverbrechen in der Ukraine und um die Kontinuität der sowjetisch-russischen imperialistischen Angriffe auf Freiheit und Demokratie zu dokumentieren so wie als Aufruf, sich nicht einer trügerischen Ruhe hinzugeben, zeige ich sie hier an dieser Stelle – als Erinnerung und Mahnung

Galerie „Prager Frühling“ 1968 – In der Galerie sind die Aushänge an der Universität, Zeitungsausrisse, Flugblätter und Plakate, die Luka mir 1972 anvertraut hat. Sie sollten in den Westen gelangen und nicht vergessen werden.

(Mit Google Übersetzer Fotofunktion können die Texte übersetzt werden)

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Veröffentlicht von

Dr.Mielke Burkhard

Dr.Burkhard Mielke Berlin ist meine Stadt – Geburtsort und seit Jahren wieder die Stadt, in der ich lebe. Geprägt hat mich am meisten mein Studium der Romanistik und des Sports an der Sporthochschule und Universität zu Köln. Begeistert hat mich jedoch meine Promotion zum Dr. phil., die mir ermöglichte, mit dem Thema „Tourismus oder Völkerverständigung? Die internationalen Begegnungen der Schulen“ eine Verbindung der Faszination des Reisens mit Begegnungen von damals jugendlichen Menschen, Kulturen und Lebensorten herzustellen. Als junger Lehrer waren es Schüler-Austauschfahrten mit Tunesien, als Schulleiter die Schulpartnerschaften mit Upstate New York, Beijing und Shanghai, als Präsident der Europäischen Schulleitungsvereinigung (ESHA) und Mitglied der Internationalen Schulleitungsorganisation (ICP) viele internationale Tagungen zur Bildung der Jugend an unterschiedlichsten Orten der Welt. Immer war es mein Bestreben, Leute mitzunehmen in diese Faszination des einen Augenblick lang Fremdens, des Austausches und der neuen Erfahrungen, die mir auf immer andere Weise sagen: Ja, das ist meine Welt.

Ein Gedanke zu „Dies ist Dein Frieden“

  1. Lieber Burkhard herzlichen Dank für diese beiden Blogs, die du ins Netz gestellt hast. In Kathmandu ist der Gegensatz zwischen der Armut und der Freundlichkeit der Menschen auffallend. Ich gratuliere dir zu deinen Aktivitäten, um den Mensch zu helfen.
    Dein Ausflug mit der Klasse nach Prag war ja durch den Schmuggel von Papieren der Revolution spannend. Die politische Entwicklung hat aber dann doch jetzt einen demokratischen Staat ergeben. Der Einsatz der damaligen revolutionäre war nicht umsonst. Liebe Grüße dein Klassenkamerad Achim

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