Das Königreich Lo in Mustang

Eldorado, Ninive, Shangri-La – Zauberworte bei meinem fortschreitenden Entdecken der Welt. Geheimnisvoll, erforschenswert, schwierig damals in einer Welt ohne Internet und der Leichtigkeit der Information. Immer verbunden mit der Sehnsucht, diese Orte zu entdecken, oft bis zu der Erkenntnis, dass es sie in Realität nicht gibt. Jahrzehnte später tauchte ein neuer Name auf, das Königreich Lo in Mustang, vorher nie gehört, aber dieses Königreich gibt es wirklich und wurde zum Sehnsuchtsziel.

Das ehemalige Königreich Mustang liegt nördlich des Himalayahauptkamms  und ist erst seit 1992 für Touristen geöffnet.  Die lange Abgeschiedenheit hat die Ursprünglichkeit der Region erhalten,  mit dem stark tibetisch geprägten dörflichen Leben im trockenen Hochgebirgsklima. Quelle

Dauerregen, Erdrutsche, verschüttete Routen und Straßen, ins Tal gestürzte Jeeps und Busse, graues dunkles Licht in dem sonst sonnenverwöhnten Nepal. Diese Nachrichten erreichten uns nur wenige Tage vor unserem Flug nach Katmandu. Ganz schlecht klang dies für die kleine Reisegruppe mit dem Ziel in das abgeschiedene Hochtal Mustang im Himalaya zu fahren. Das tägliche googlen des Wetterberichtes versprach keine Änderung. Für Mustang hieß dies verschüttete Straßen , unpassierbar für die zwar wenigen aber doch in Teilen des Landes vorhanden Jeeps in dieser Region und lange Fußmärsche im Hochgebirge mit einer deutlichen Einschränkung des Programms.  Auch der Flug nach Jomsom, Gateway nach Mustang in 2713 m Höhe war nicht gesichert und die Alternative zu dem kurzen Flug ist eine abenteuerliche Busfahrt von mehr als 8 Stunden. Flüge nach Jomsom sind nur frühmorgens und bei wenig Wind möglich, fliegt man doch durch ein enges Tal an der Annapurna Range mit nur wenigen hundert Metern Abstand von den Felsen. Die Flugroute Pokhara-Jomsom gilt als eine der unfallträchtigsten Strecken in Nepal. Seit 1997 starben nach Angaben der „Nepali Times“ bei fünf Flugzeugabstürzen auf dieser Strecke mindestens 74 Menschen.

Aber alles wendete sich zum Guten, bis zu unserer späten Landung in Katmandu, wo uns neben Narayan Adhikari, unserem Führer in Nepal auch Mohan Rai, der oberste Schamane Nepals, den ich vor einigen Jahren kennengelernt habe, herzlich empfing.

Leise, dunkle Trommelschläge erreichen uns im Meditationsraum. Mohan Rai schlägt die Trommel und singt dazu Gebete , die dazu dienen, zur inneren Ruhe zu kommen, vom normalen Alltagsleben Abstand zu gewinnen. Nach einem Vortrag, längeren intensiven Gesprächen und einigen persönlichen Healings ist diese Meditation der Abschluss unseres Besuches bei Mohan Rai, bevor es mit seinen Segnungen weiter geht dem Himalaya Trekking in Mustang entgegen.

Der Annapurna erhebt sich hoch in strahlendem Weiss unter blauem, wolkenlosem Himmel als Hintergrund zum Flughafen Pokhara, wo wir zu Viert nervös aber hoffnungsfroh auf die Entscheidung fliegen zu können warteten. Der Flug wird freigegebenen. 30 Minuten erleben wir einen faszinierenden, relativ windfreien Passage durch ein enges Himalayatal der Annapurna Range und landen sicher in Jomsom, dem Ausgangspunkt für Trekking in Mustang. Erste Eindrücke vom Leben in diesem Teil der Welt sammeln wir hier, einem größeren und wichtigen Ort als Start und Endpunkt für Unternehmungen in Mustang. Schnell wird unser Gepäck in einem Bus verstaut und wir wandern vier Stunden bis Kagbeni, unserer ersten Unterkunft. Hier in 2800 m Höhe gibt es kaum noch grün, bis auf eine Spezialität. Hinter hohen Steinmauern, als Schutz vor den starken und kalten Winden, wachsen Apfelbäume, aus denen, wie man uns sagt, köstlicher Apfelschnaps gegoren wird. Mit Blick auf zukünftige Anforderungen verzichten wir, verschieben den Genuss auf den Tag unserer Rückkehr. Und obwohl wir aus Nepal Stromausfälle gewohnt sind, taucht hier ein neues Problem für den Rest des Trekkings auf. Strom aus dem Generator gibt es nur während der Zeit des Abendessens und alle Akkus müssen in dieser Zeit an die Stromleisten.

Die Kälte der Nacht ist vorbei und wir wagen uns vor die Tür in die Wärme der ersten Sonnenstrahlen. Um uns herum reges Treiben und auf dem Weg zur Visumsstelle kommen wir nur langsam voran, da die Ziegenherden durch den Ort in die Umgebung getrieben werden. Für das Königreich Lo braucht man ein Entry Permit zusätzlich zum Pass. Mit den Stempel in der Tasche brechen wir auf um nach Lo Manthang und zurück nach Jomsom zu trecken.

Den ersten Pass hinauf müssen wir noch lange Geduld haben bis eine riesige Ziegenherde sich auf der Passhöhe in die Weite der kargen Landschaft verteilt. Letzte Order von unseren Sherpas und es geht los. Ein Sherpa vorne und einer als Nachut beginnen wir erwartungsvoll unsere Wanderung zum nächstenTagesziel nach Tsarang (Charang) in 3700 m Höhe. Schon bald merken wir, dass wandern in dieser Höhe und mit steilen Ab- und Aufstiegen in den Bergen viel abverlangt und realisieren, wie wichtig die Anweisung unsere Sherpas war: jeder bewegt sich in seinem Tempo und macht individuelle Pausen. Unsere kleine Vierergruppe ist, wie wir später feststellen, teilweise bis zu zwei Kilometern auseinander. Der Atem wird flacher, vor allem, wenn es bergauf geht, der Puls schlägt schneller und immer öfter bleibt man stehe oder wartet im Sitzen auf die Beruhigung des Pulses. Das Panorama scheint wie aus einer andern Welt, das Gestein in allen Gelb- und Brauntönen und immer wieder unglaubliche Ausblicke auf die strahlend weissen Achttausender des Himalaya. Nichts wächst hier und dann diese Stille, kein Laut außer unseren Geräusche dringt an unser Gehör. Nur selten sieht man eine Raubvogel kreisen und es riecht nach nichts, nur Sand, Staub und Felsen. Die Landschaft ist auf Dauer gleich, ein Fluß schlängelt sich durch das Tal, der Weg oft nah an Abgründen ist schmal und anstrengend zu gehen. Nur selten begegnen wir Einheimischen, die einzeln mit Lasten in Kiepen auf dem Rücken in beide Richtungen gehen. Mit zunehmender Zeit und der gleichbleibenden Landsschaft reduziert sich fast alles auf das Gehen ohne nach rechts und links zu blicken.

Die physische Anstrengung geht einher mit der Auseinandersetzung mit Dir selbst als ständiger innerer Dialog. Mehr und mehr ist nichts außer mir selbst wichtig, ich habe ein Ziel, eine Herausforderung und ich darf nicht aufgeben. Und dann fällt beim Erreichen des Tageszieles in der Erholung dies alles von Dir ab und löst sich auf in ein Glücksgefühl über das Erreichte. Tagsüber allein immer an der körperlichen Grenze und auch in nötigen Pausen die Auseinandersetzung mit sich selbst in der Grenzerfahrung der Höhenluft und der Anforderungen der Strecke., kehren wir abends aus der Alleinigkeit des Tages zurück in die Gemeinschaft. Wir wenden uns mit gelöstem Strahlen im Gesicht wieder einander zu und sind stolz es geschafft und einen zwar kurzen, aber schönen Abend gemeinsam in einer unserer Himalaya Lodges vor uns zu haben. Wir tauschen unsere Emotionen, Gedanken aus und sind gespannt auf das Morgen. Beim Essen ist auch das Gespräch mit den Gastgebern möglich, eine wertvolle Erfahrung. Unsere Gastgeber in dieser ersten Lodge haben eine kleine Tochter, die sich interessiert in unserer Nähe aufhält. Ich habe Buntstifte bei mir und werde mit einem strahlenden Lächeln bedankt, als ich sie ihr schenke – und es wird ein Wiedersehen auf unsere Rückweg geben.

Wir wissen jetzt genauer, was in den nächsten Tagen an Anstrenungenvor uns liegt, die unterwegs immer wieder belohnt werden, wenn wir den Blick und den Kopf vom Trekking lösten und uns einmaligen menschlichen , kulturellen und historischen Begegnungen öffnen konnten. Nach einem längeren Marsch taucht im gleissenden Gegenlicht eine Stupa auf und vom Kamm aus öffnete sich der Blick auf eine hoch gelegene große Tempelanlage, die alte Gompa von Tsarang in 3700 m Höhe. Kein Geräusch , die absolute Stille wird plötzlich von einer Stimme unterbrochen. Ein Mönch begrüßt uns. Er ist der einzige der noch hier oben geblieben ist. Es ist Oktober und der eisige Winter im Himalaya rückt näher. Alle anderen Mönche sind schon ins Tal abgestiegen. Nur einer bleibt hier zur Sicherung des Tempels und hier und an anderen Orten noch alte, nicht transportfähige Menschen.

Der Mönch freut sich über unseren Besuch und führt uns durch den Tempel.

Die alte Gompa von Tsarang

und zu unserer großen Überraschung zu einem besonderen Schatz in einem Nebengebäude, ein alte Sammlun von Texten und Sprüchen Buddhas, 54.000 Lehren oder Sutren, sind handschriftlich mit echtgoldener- und -silberner Tinte auf Vor- und Rückseiten von einem losen Stapel schmaler länglicher Pergamente geschrieben, und teils noch bunt illustriert. Diese jeweils 108 Pergamente liegen zwischen geschnitzten Holzrücken, werden in ein Tuch eingeschlagen, mit einem Band umwickelt und bilden so ein Pustak, ein heiliges Buch. Etwa 72 cm breit, 18 cm hoch und 12 cm dick. 108, 54, die Hälfte von 108, 36, ein Drittel davon…

Die Zahl 108,das Produkt aus 1 x 2² x 3³,  ist im Buddhismus, wie im Hinduismus und Schamanismus eine sehr bedeutende, eigentlich DIE heilige Zahl!

Die Kanpur und Tanjur Originalabschriften in Tsaran

Für die letzte Etappe von Tsarang nach Lo Manthang konnten unsere Sherpas einen der wenigen Jeeps besorgen. Über eine wieder abenteuerliche Steinpiste Durch diese wilde, raue und lebensfeindliche aber gleichzeitig faszinierende Landschaft fahren wir in Richtung Lomantang,   der Hauptstadt Mustangs.
Grau und Gelbtöne wechseln sich ab, bizarre Feldformationen. steile Berge und Tiefe Schluchten, Sand zwischendurch und im Horizont die Weißen Gipfel des Himalaya. Unser Fahrer kurbelt und dreht ständig das Lenkrad um um die engem Kurven zu kommen . Man kann schon Anspannung bei uns erleben wenn die schmale in den Berg gehauene Piste nur knapp am Abgrund vorbei führt und es neben uns hunderte von Metern in die Tiefe geht. In diesen Momenten kann auch die chinesische Lieblingsmusik unseres Jungen Fahrers nicht beruhigen. Bei den steilen Steigungen wundern wir uns immer wieder wie der Jeep mit 7 Personen und diesem Untergrund mit oft tiefen Rillen es nach oben schafft. Glück haben wir aber auch hier bei trockenem Wetter, blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein zu fahren. Wie dies bei Regen gehen sollte ist kaum vorstellbar . Nur der gleißende Sonnenschein der sich in den staubüberzogenen Scheiben bricht blendet oft nicht ungefährlich.
Vereinzelt überholen weil Menschen mit schweren Lasten . Maultiere oder Pferdekarawanen, Trekker und Moutainbiker. Vereinzelt einige Hütten im Nirgendwo, kleine Stupas. Steinhäusern mit Gebetsfahnen auf Passhöhen und schließlich landen wir sicher in Lo Manthang der Hauptstadt Mustangs. Erst sind wir unsicher als wir vor unserem Hotel Lotus halten, denn nichts deutet auf eine Hauptstadt hin. Ein größeres Dorf als die anderen, mehr Leben auf den Strassen und Sammelstelle für die wenigen Taxis, die es in Mustang gibt. Auffallend der bescheidene Königspalast, das Geschäft des berühmten Malers…. der auch die Restaurierung der Gemälde im Tempel nach dem Erbeben ausführte. Fließendes Wasser am Rand der Strasse in einem Kanal, wo sich Frauen ihre Haare waschen. Dazu der Königspalast ohne Fahne – der König von Lo ist heute nicht in der Stadt.

China ist nah und man kennt die imperialen Ziele des Landes. Am deutlichsten zu sehen in der breiten panzerbaulichen Strasse von Lhasa nach Nepal, die so genannte Strasse der Freundschaft von Shanghai bis Kathmandu gehen sollte, aber in Nepal zur eigenen Sicherheit nicht ausgebaut wurde. Aber noch ist bisher keine soche Strasse hier gebaut worden.

in einer Gasse in Lo Manthangs komme ich mit einem älteren Bewohner ins Gespräch. Er nimmt mich mit in sein Haus bis nach oben zum Dach, wo sich ein wunderschöner Blick über die Hauptstadt und die Hochebene bis zu den Bergen ergibt. Aus seinem Munde erfahre ich viel über die Stadt und Mustang, was in keinem Reiseführer zu finden ist. Zum Abschluss unserer intensiven Begegnung schenkt er mir eine sehr alte Maske aus seinem Haus und wir trennen uns mit einer herzlichen Umarmung. Eine zufällige Begegnung und man weiß, dass es in unserm Leben nur diesen einen Moment der Begegnung gibt.

5.Tag Lo Manthang

6.Tag Lo Manthang nach Samar

7. Tag Samar nach Muktinath danach Bach Jonson Jeep

8. Tag Jomsom nach Pokara

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Veröffentlicht von

Dr.Mielke Burkhard

Dr.Burkhard Mielke Berlin ist meine Stadt – Geburtsort und seit Jahren wieder die Stadt, in der ich lebe. Geprägt hat mich am meisten mein Studium der Romanistik und des Sports an der Sporthochschule und Universität zu Köln. Begeistert hat mich jedoch meine Promotion zum Dr. phil., die mir ermöglichte, mit dem Thema „Tourismus oder Völkerverständigung? Die internationalen Begegnungen der Schulen“ eine Verbindung der Faszination des Reisens mit Begegnungen von damals jugendlichen Menschen, Kulturen und Lebensorten herzustellen. Als junger Lehrer waren es Schüler-Austauschfahrten mit Tunesien, als Schulleiter die Schulpartnerschaften mit Upstate New York, Beijing und Shanghai, als Präsident der Europäischen Schulleitungsvereinigung (ESHA) und Mitglied der Internationalen Schulleitungsorganisation (ICP) viele internationale Tagungen zur Bildung der Jugend an unterschiedlichsten Orten der Welt. Immer war es mein Bestreben, Leute mitzunehmen in diese Faszination des einen Augenblick lang Fremdens, des Austausches und der neuen Erfahrungen, die mir auf immer andere Weise sagen: Ja, das ist meine Welt.

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