Vietnam in Trippstadt . Wie der Kaffee aus Vietnam in die Pfalz kam

Träume der Menschen erwachsen aus Erzählungen und Geschichten von jenseits der eigenen Welt. Von Asien, Ozeanien und den Amerikas mit all den wunderbaren Schätzen dieser Länder, von wo auch immer durch die Entdecker und Seefahrer die Kunde an europäische Ohren kam, um dann von den sagenumwobenen Genüssen und Gerüchen zu erfahren : Gewürze, Kräuter, exotische Früchte in leuchtenden Farben. Und der Wunsch entstand, dass dies auch das Leben der Menschen in Europa bereichern sollte. Zuerst in den Palästen der Könige und Fürsten bis heute für fast jedermann. Die Schätze kamen mit Karawanen oder mit Schiffen zu uns auf speziellen Routen und Wegen, wie z.B. die Viae Salariae, die Seidenstrasse und andere. Zucker, Zimt, Safran, exotische Gewürze wie Chili und andere tauchten auf einmal in Europa auf. Kaffee ud Tee eroberten die Welt und sind heute nicht mehr wegzudenken. Überschattet ist dies alles von Versklavung und Ausbeutung unzähliger Menschen in den Kolonien Europas. Dem Anspruch der Kolonialmächte, dass ihnen alles zustehe, was sie begehren, wurde allerdings beim Kaffee Widerstand entgegengesetzt. Das Ursprungsland des Kaffees, Jemen, verbot bei Todesstrafe die Ausfuhr von Kaffeepflanzen und Samen. Trotzdem gelang es den Niederlanden, Kaffeesetzlinge und Samen zu stehlen und dann in ihren Kolonien wie Java und Sumatra anzubauen.

Auf vielen Reisen begegnete ich immer wieder den ursprünglichen Anbaugebieten in Mittel-und Südamerika, Afrika und dem Vorderen Orient.

Aber erst vor kurzem erschloss mir eine Reise in Deutschland überraschend eine weitere, mir bisher unbekannte Anbaugeschichte. Durch Corona dauerte es eine Weile, bevor es überhaupt wieder möglich war auch innerhalb Deutschlands zu reisen, und diese Reise führte ins Elsass und in die Pfalz. Nach einer längeren Tour durch Nationalparks und Biosphärenreservate mit vielen heimisch – kulinarischen wie auch historischen Höhepunkten, folgte ein letzter Stopp im Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen, um dort in der Karlstalschlucht zu wandern. Wir fanden mitten in der idyllischen Landschaft nahe bei Trippstadt ein Apartment.

Dort angekommen, übergab uns eine freundliche Vietnamesin die Schlüssel, und nebenbei registrierte ich ein kleines Schild Kaffeerösterei an der Hauswand, ohne dem irgendeine Bedeutung zuzumessen.

Schnell erhielten wir Kaffeepulver und gleich noch Kuchen dazu mit der Einladung nach dem Frühstück wieder zurück zu kommen.

Am nächsten Morgen, einem Sonntag, freuten wir uns über die gut ausgestattete Küche im Apartment, bis wir für die Kaffeemaschine keinen Kaffee fanden. Da kehrte die Erinnerung zurück, ich ging runter, klopfte bei den Vermietern und wurde fröhlich begrüßt in einem Raum voller Kaffeeangebote. Schnell erhielten wir Kaffeepulver und gleich noch Kuchen dazu mit der Einladung nach dem Frühstück wieder zurück zu komme

Und dann die große Überraschung. Eine Rösterei mit ausschließlich vietnamesischem Kaffee aus dem Zentrum Vietnams, meiner bisherigen Kenntnis nach einem ganz untypisches Anbaugebiet. Und die Frage „Wie kommt der Kaffee nach Vietnam und dann nach Trippstadt?“ tauchte auf.


Nach einer Führung durch die Rösterei ergaben sich erste Antworten.
Es begann mit wissenschaftlicher Arbeit in einem ökologisch orientierten Reisanbauprojekt in Hanoi, wo Dr. Jürgen Ott – Geschäftsführer eines Umweltplanungsbüros aus der Pfalz – und Nga Do, Master in Politik und Management der Universität Hanoi als Assistentin des vietnamesischen Projektleiters sich kennenlernten.. Doch das allein würde nicht erklären, wie es dazu kam, dass sie jetzt in Trippstadt zusammenleben und gemeinsam ihre Vision von Nachhaltigkeit und Biodiversität leben und wahrmachen. Da muss ein Funke übergesprungen sein zwischen den Beiden, die jeder für sich dorthin gegangen waren, um sich mit anderen sachkundig Forschenden aus aller Welt auszutauschen. Zu dem Austausch fügte sich das persönliche Interesse und schließlich nach mehreren Projekttreffen in Folge die liebevolle Entscheidung des gemeinsamen Lebensweges

Indochina war seit dem 19. Jahrhundert französische Kolonie, bis zum bitteren Ende 1954 in der Schlacht von Dien Bien Phu. Auf eins wollten die französischen Kolonialherren jener Zeit auf keinen Fall verzichten, das war der Kaffee. Ein Expertenteam erkundete die Bedingungen für Kaffeeanbau und fand sie in den Bergen Indochinas und brachten den Kaffe so in den Norden Vietnams u.a.nach Sapa, VinPhuc und Bete Tre. Laos und Kambodscha wurden selbstständig, Vietnam in zwei Hälften geteilt. Der kalte Krieg unterbrach die Verbindungen zwischen dem Norden Vietnams mit dem Westen, und der Vietnam-Kaffee geriet vorübergehend in Vergessenheit.

Aber nicht in Ostberlin

Was den Kaffeegenuss in der DDR anging, gab es erhebliche Unterschiede. Menschen mit Westkontakten erhielten richtigen Kaffee von ihrer Westverwandtschaft, inzwischen allgemein bekannt geworden durch den sehenswerten Film „Der Duft des Westpaketes“. Und in der Tat dominierte in diesen Paketen der Kaffeeduft alle anderen Kostbarkeiten, selbst die Schokolade, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Der Rest der Bevölkerung musste sich mit Kaffeeersatz zufriedengeben, allerdings mit Ausnahme der Politprominenz. Dise versorgte sich gerne mit den edlen Genüssen des Westens wie z.B. richtigem Kaffee, und so nahmen sie die Kontakte zu den Kaffeegebieten in Vietnam auf, um sich den privilegierten Genuss zu sichern.

Und nun, Jahre nach der Wende, stehen wir in diesem kleinen Ort und erfahren, wie der vietnamesischen Kaffee aus dem ZentrumVietnams nach Trippstadt kam.

Nga hatte sich auf das Kaffeerösten spezialisiert und ist inzwischen nach diversen Kursen in Vietnam Meisterin in diesem Fach, gepaart mit ihrem und ihres Mannes Engagement im Produktionsmanagement als Leitlinie ihrer Firma, der Dragon Bean Roaster – Tripstadter Kaffeerösterei.

Diese Kenntnisse und die Wertschätzung der nachhaltigen Produktion machen den Unterschied bei Kaffee aus: Entscheidend ist nicht die Sorte allein, sondern die Qualität des Anbaus von der Ernte bis zur Trocknung und Rösterei – und da hat sich vieles gegenüber den traditionellen Verfahren verändert. Von ursprünglich Robusta wechselte man zu dem beliebteren Arabica, von der Massenernte zur Handverlesung, von Konzernen zu kleinen Farmen mit Microlots, von Chemie zu organischem Dünger ohne Pestizide – dies sind die Kriterien für Öko-Anbau und nachhaltigen Naturschutz.

vertical gardening

Entscheidend kommt dann noch das vertical gardening durch biodiversifizierten Anbau in vier Ebenen dazu. Über einem Teppich aus Blütenpflanzen stehen die Kaffeesträucher, darüber Bananenbäume und Pfefferpflanzen und zuletzt Avocado, Pomelo, Macademia oder Kassadenbäume. Dieses Verfahren verbessert das Wachstum, denn die Kaffeesträucher sind Halbschattengewächse, und die Staffelung bringt zusätzliche Ernten der Hochgewächse als ergänzendes, schnelles Einkommen für die Farmer. Der Kaffee hingegen braucht mehrere Jahre, bevor er den Farmern Gewinn einbringt. Letzte Beobachtung von vor Ort berichtet, dass diese vertikale Schichtung zu einer deutlichen Vermehrung vor allem von Insekten führt, was allen Pflanzen nutzt.

Zum Schluss noch etwas über den Unterschied der Geschmäcker. Cà Phê Sữa Đá ist  sehr starker Kaffee, tropfenweise durch einen Metallfilter in ein Glas mit süßer Kondensmilch getropft, mit oder ohne Eis, oder lieber vietnamesischer Eierkaffee mit Honig, Eigelben und gezuckerter Kondensmilch – Lieblingsgetränke in Vietnam

(Fotos B.Mielke, J.Ott)

Veröffentlicht von

Dr.Mielke Burkhard

Dr.Burkhard Mielke Berlin ist meine Stadt – Geburtsort und seit Jahren wieder die Stadt, in der ich lebe. Geprägt hat mich am meisten mein Studium der Romanistik und des Sports an der Sporthochschule und Universität zu Köln. Begeistert hat mich jedoch meine Promotion zum Dr. phil., die mir ermöglichte, mit dem Thema „Tourismus oder Völkerverständigung? Die internationalen Begegnungen der Schulen“ eine Verbindung der Faszination des Reisens mit Begegnungen von damals jugendlichen Menschen, Kulturen und Lebensorten herzustellen. Als junger Lehrer waren es Schüler-Austauschfahrten mit Tunesien, als Schulleiter die Schulpartnerschaften mit Upstate New York, Beijing und Shanghai, als Präsident der Europäischen Schulleitungsvereinigung (ESHA) und Mitglied der Internationalen Schulleitungsorganisation (ICP) viele internationale Tagungen zur Bildung der Jugend an unterschiedlichsten Orten der Welt. Immer war es mein Bestreben, Leute mitzunehmen in diese Faszination des einen Augenblick lang Fremdens, des Austausches und der neuen Erfahrungen, die mir auf immer andere Weise sagen: Ja, das ist meine Welt.

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