Von fröhlicher Ignoranz zu einem Hauch von Orwell – Eine Reise nach Taiwan im Juni 2022

Boarding für Flug TK24 vom BER nach Istanbul als Hub- Flug für den Weiterflug nach Taiwan mit Turkish Airlines.

Trotz ständiger Lautsprecheransagen, das Tragen von Masken im Innenbereich des Flughafens sei obligatorisch, halten sich nur wenige an diese Regel,  während der ganzen Flughafenprozedur vom Einchecken über Pass- und Sicherheitskontrollen bis zum Boarden und im Flugzeug selbst. Niemand kümmert sich darum, auch einige Stewardessen verzichten auf die Maske in einem bis auf den letzten   Platz ausgebuchten Flugzeug.

Es wird eine lange Anreise mit viel Bürokratie, um in Taiwan einreisen zu können.

Es beginnt mit dem Visumsantrag, der in drei Tagen ungewöhnlich schnell von der taiwanischen Vertretung in Berlin erledigt wird. Als nächstes der PCR Test,

der längstens 72 Stunden vor Abreise mit dem Ergebnis in Englisch gemacht werden muss. Ein weiteres Dokument für die Unterbringung während der 7-tägigen Quarantäne in Taiwan muss ausgefüllt werden, eine nicht leicht ohne Fehler zu erledigende Aufgabe. Als letztes der Hinweis, dass man im Internet eine Regierungsadresse 48 Stunden vorher herunterladen muss, damit man vor Ort dann kontrolliert werden kann. 

All das ist vor dem Abflug nötig in der Hoffnung alles richtig gemacht zu haben und wirklich einreisen zu können. Die Sehnsucht die Familie nach fast 6 Monaten wiederzusehen, macht es leicht, diese Formalitäten inklusive der Quarantäne gut gestimmt abzuwickeln. Zumal einen Tag nach Ablauf der Quarantäne mein Enkelkind seinen ersten Geburtstag zusammen mit seinem OPA feiern kann.

Mit meiner FFP 3 Maske gut geschützt für diese Reise, sitze ich in einem Flieger nach Istanbul voller gut gelaunter maskenfreier Menschen, auf dem Weg in den Urlaub oder zur Familie. Abgesehen davon, ein ruhiger Flug mit exzellentem Service. 

Istanbul Airport – Das Eintauchen in einen palastartigen, supermodernen, riesigen Flughafen. Es ist Nacht und alles leuchtet, glänzt und glimmert, Viele Duty-free-Shops und die weltweit agierenden Geschäfte locken mit gestyltem Ambiente. Ein Erlebnis aber auch hier sorglose Unbekümmertheit, so als ob Covid nicht mehr existiere. 

Zwei Stunden später ändert sich auf dem gleichen Flughafen das Bild beim Warten in einem extra Raum für den Weiterflug nach Taipei bis zum Einsteigen. Hier wird Covid noch ernst genommen und zum Schutze der Reisenden gehandelt. Dokumente werden ausführlich geprüft, nur Einzelne ohne Maske und ein relativ sorgenfreier, angenehmer 11-stündiger Flug wieder mit sehr gutem Service.

Wie anders als in Istanbul ist der der Eindruck bei Ankunft im International Airport Taipei. Der Wille Covid nicht von außen einzuschleppen steht absolut im Vordergrund

Grelles, kaltes Licht empfängt mich im Ankunftsbereich, lange, hell erleuchtete Gänge mit aufgeklebten Fußsohlen für die weitere Richtung und durch den ganzen langen Weg immer wieder lautes Rufen  von Personal in Schutzkleidung mit Maske und Visier in Chinesische und Englisch mit Anweisungen für den Fortgang der fast zweistündigen Ankunftsprozedur.

In einer langen Reihe bewegt man sich vorwärts, bei Abbiegungen von weiterem Personal geführt, durch eine Fiebermessstation bis zu einem ersten Stopp.Es bedarf einer Erklärung, bis ich verstehe: hier muss ich meine Simkarte aus dem Handy nehmen und durch eine taiwanesische ersetzen. Hierdurch wird das Tracking meiner Bewegungen ermöglicht. In der Quarantäne darf man ja seinen Raum nicht verlassen. Zuwiderhandlungen werden so erfasst und schwer bestraft. Immer wieder wird desinfiziert.  

Nächster Stopp ist der Geldwechsel, um das Quarantänetaxi später bezahlen zu können. Daran schließt sich normaler Flughafenbetrieb an: Koffer abholen, durch Passkontrolle und Zoll. Und wenn man glaubt, das wars, wird man aus dem Flughafen geleitet in einen weiteren Ablauf zum Spucktest. Auch hier kann man immer noch nicht die Maske ablegen, denn selbst im Freien muss in Taiwan immer die Maske getragen werden.  Dieser Spucktest ist allerdings eine Erleichterung gegenüber den Regelungen noch vor kurzer Zeit. Da mussten alle einen PCR Test machen, dort auf das Ergebnis warten und „Positive“ wurden sofort in ein Krankenhaus verbracht. Jetzt werden nur die „Positiven „am nächsten Tag kontaktiert. Weitere laute Rufe in beiden Sprachen bringen mich dann in die lange Warteschlange eines Taxistandes, wo die Papiere für die Quantäneunterkünfte schon vorliegen. Diese Taxis fahren dich dann zu deiner Quarantäneadresse. Nach fast 24 Stunden Reisezeit endlich angekommen, alles richtig gemacht und Zeit zum Entspannen. Da kommt schon die erste SMS mit weiteren Verhaltensregelungen. Als Ausländer bekomme ich die Telefonnummer eines Officers in der Nähe zugeteilt, den ich jederzeit anrufen kann, wenn ich gesundheitliche oder sonstige Probleme habe.  Für Einheimische ist der jeweilige Bezirksbürgermeister zuständige – es ist eine umfassende Fürsorge. Jeden Morgen  für die nächsten 14 Tage, erreicht mich jetzt eine SMS, die ich beantworten muss: alles normal: drücken Sie die Eins, bei Symptomen, die auf Covid hindeuten, bitte die zwei drücken. Am nächsten Tag kommt dann noch ein Telefonanruf wodurch sichergestellt wird, dass ich im Raume bin. Für mich gibt es noch eine erfreuliche Regeländerung- ich muss nicht mehr in ein Quarantänehotel, (air bnb nicht erlaubt) sondern kann in eine unbewohnte Wohnung ziehen,  die meiner taiwanischen Familie gehört. Strapazen  vergessen. Der Besuch in Berlin Weihnachten und danach fast tägliche Zoom Meetings haben die Erinnerung wachgehalten und zu diesem freudigen Wiedersehen geführt. Von Balkon zu Balkon habe ich dann den ersten Blickkontakt zu Tochter, Schwiegersohn und Enkelkind. Das Strahlen auf dem Gesicht von meinem Enkelkind lässt alles vorher vergessen.

Am nächsten Tag wird verkündet, dass die Quarantänezeit von 7 auf 3 Tage verkürzt wird. Meine Freude darüber währt nicht lange. Fern jeder Logik gilt dies aber erst für Einreisende ab dem 15. Juni.

Diejenigen, die kurz vor dieser neuen Anordnung ankommen sind, gilt die 7-Tage Regel weiter. 

Nach 7 Tagen muss man dann einen Testbericht per SMS schicken und tritt ab Mitternacht in Phase zwei „practice self-health management“  der Quarantäne für eine weitere Woche ein“. Man darf ins Freie, aber noch nicht in geschlossene Räume wie Restaurants, Bars, Öffis etc.. Aber es wird keine weiteren Kontrollen geben, nur noch täglich elektronische Abfragen nach meinem Gesundheitszustand. 

Trotz aller Maßnahmen breitet sich Covid auf Taiwan weiter aus und

ist nun doch ein neuer Covid Hotspot. 

Letzter Covid Fall von gestern Abend: der Gesundheitsminister.

Allerdings sind hier inzwischen über 90 % der Menschen geimpft und die teils absurden aber gefährlichen Diskussionen in Deutschland gibt es hier nicht. Zurzeit werden die Regelungen mehr und mehr gelockert. 

Für mich kam gerade der Anruf meines Betreuers mit der Mitteilung, meine Quarantäne wäre jetzt um Mitternacht beendet.. Um genau 24.00 Uhr werde ich rausgehen, durch die Altstadt Taipeis laufen, um aus dem begrenzten Raum der Quarantäne in die Bewegung zurückzufinden.

Trotz des bürokratischen Aufwandes, der strengen Regeln und der strikten Quarantäne war alles immer in netter Form und vom Beginn der Quarantäne an hatte es eigentlich fürsorglichen Charakter mit hohem personellem Aufwand seitens der taiwanischen Behörden. Eine Betreuungsperson zu haben, die sich jeden Tag über Deinen Gesundheitszustand informiert und bei Problemen dann um die weitere Behandlung kümmert, ist vorbildlich.

Der von mir anfangs erwähnte Hauch von Orwell, den ich nach der Landung empfand, hat sich schnell relativieret. 

Auch hier zeigt sich der Unterschied zwischen dem demokratischen China und dem diktatorischem Festland-China. Dort lebt Orwell in perfekter Form als digitalisierte Orwell 2.0 Version in seiner ganzen Härte und Menschenverachtung auf. Nachzulesen bei dem Tagebuchbericht: „Mainz nach Peking in 15 Tagen“ der Pekinger ZDF-Korrespondentin Miriam Steiner.(https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/corona-china-quarantaene-tagebuch-100.html#xtor=CS5-281),und zu sehen bei den Lockdown Reportagen aus Shanghai u.a. mit den nachts durch die Straßen laufenden und Befehleverkündenden Roboterhunden. 

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Veröffentlicht von

Dr.Mielke Burkhard

Dr.Burkhard Mielke Berlin ist meine Stadt – Geburtsort und seit Jahren wieder die Stadt, in der ich lebe. Geprägt hat mich am meisten mein Studium der Romanistik und des Sports an der Sporthochschule und Universität zu Köln. Begeistert hat mich jedoch meine Promotion zum Dr. phil., die mir ermöglichte, mit dem Thema „Tourismus oder Völkerverständigung? Die internationalen Begegnungen der Schulen“ eine Verbindung der Faszination des Reisens mit Begegnungen von damals jugendlichen Menschen, Kulturen und Lebensorten herzustellen. Als junger Lehrer waren es Schüler-Austauschfahrten mit Tunesien, als Schulleiter die Schulpartnerschaften mit Upstate New York, Beijing und Shanghai, als Präsident der Europäischen Schulleitungsvereinigung (ESHA) und Mitglied der Internationalen Schulleitungsorganisation (ICP) viele internationale Tagungen zur Bildung der Jugend an unterschiedlichsten Orten der Welt. Immer war es mein Bestreben, Leute mitzunehmen in diese Faszination des einen Augenblick lang Fremdens, des Austausches und der neuen Erfahrungen, die mir auf immer andere Weise sagen: Ja, das ist meine Welt.

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