Die Kunst des anderen Reisens

Asien 1991 – über Singapur, Hong Kong, Macao und Bangkok nach Ho Chi Minh Cityein Schnellkurs in drei Wochen

Sie erkennen sich, wie auch immer, wodurch auch immer. Es sind unangepasste Globetrotter, Reisende, die in ein Flugzeug steigen und nach der Landung gucken, was so geht und was man machen kann. Sofort, kurz nach der Mitteilung aus dem Cockpit sich abschnallen zu dürfen, finden sie sich und fangen an Infos auszutauschen über Orte, wo noch keine Touristen sind, wie man da hin kommt, günstig übernachten, exotisch essen und dazu noch unberührte Strände und abgelegene Kulturgüter entdecken kann. Alles zusammen mit einem natürlichen und ungezwungen Kontakt zu den Menschen des Landes, woraus sich wieder neue Tipps für weitere Abenteuer ergeben.

Und jetzt sitze ich neben meinem Freund Jürgen, einem dieser Nomaden (im Zivilleben nicht als solcher sofort erkennbar) im Flugzeug nach Singapur, und habe das Glück diese Art des Reisens mitzuerleben, anfangs noch erwartungsvoll angespannt, dann es immer mehr genießend. Ankunfts- und Abflugort lagen somit fest- alles weitere ergibt sich aus einer Mischung von Wünschen und Gelegenheiten und führt am Ende zu einem nicht zu erwartenden Highlight .

Asien, für mich ein langgehegtes Traumziel, unterfüttert mit viel Bücherwissen, wird wahr. Mein erstes Zusammentreffen mit diesem Kontinent nimmt mich so in Bann, dass ich nicht weiß, wo ich zuerst hingucken soll. Jürgen, asienerfahren, bewegt sich mit einheimischen Verkehrsmitteln sicher durch die Metropolen Asiens. Und ich folge ihm staunend und alles um mich herum wie ein Schwamm aufsaugend. Wir landen um 9 Uhr morgens, buchen im Flughafen ein Hotel für eine Nacht, und los geht es mit Taxi zum Hotel und weiter mit der Metro zum Singapore River, einer der bewährten „anderen“ Reiseregeln folgend: raus aus dem Flugzeug und rein in das Leben, die kurze Zeit nutzen – schlafen und ausruhen kann man nachts.

Die Umstellung auf die schwüle Hitze verlangsamt unsere Schritte nur wenig bis zur ersten Pause am Singapore River mit Blick auf die berühmte Flußansicht mit den alten Handelshäusern. Hier entdecken wir zufällig ein Plakat mit Werbung für eine Ausstellung der HAN Dynasty, ändern unseren Tagesplan (eine weitere Regel, keine festen Vorabfestlegungen, alles ist offen) und wir haben ungeahntes Glück Tickets zu bekommen. Fasziniert stehen wir dann in einer großen Halle vor den Kriegern und Pferden aus Xian – die erste Ausstellung dieser Funde außerhalb Chinas.

Die Reiterarmee von Xian

Ten, Ten, Ten hallt es über einen nur von unzähligen offenen Feuerstellen beleuchteten Platz .

Nach der ersten Erkundung dieser blitzsauberen Stadt tauchen wir bei warmer Abendluft ein in die romantische Szene der lodernden Feuer, verführerischer Gerüche und Rauchschwaden des Satay Clubs. Ten chicken, ten beef, ten mutton – ein Genuss, den kein Restaurant bieten kann – die Atmosphäre macht’s – wir essen ungezählte dieser Spieße zusammen mit eiskaltem Tiger Beer, genießen den Abend und gehen dann langsam vorbei am Merlion, dem Wahrzeichen der Stadt ins Hotel zum ersten Ausruhen nach einem langen Flug.

Satay Club Singapore

Endlich ausgeschlafen, fliegen wir mittags weiter nach Hong Kong. 3/12 Stunden später sind wir im abenteuerlichen Landeanflug auf den alten Kai Tak Airport, d. h. geradeaus bis kurz vor einen Berg, 90 Grad nach rechts und knapp über die Hochhäuser hinweg, fast die auf den Dachterrassen der Hochhäuser aufgehängte Wäsche touchierend, touch down auf die kurze Piste am Meer. Kai Tak war seinerzeit einer der gefährlichsten Flughäfen der Welt.

Kaum angekommen ein Blick zum Himmel, blauer Himmel und Sonne, das bedeutet nach den Reiseregeln, Koffer abwerfen und hoch zum Peak den phantastischen Postkartenblick über die Bucht und die Stadt zu genießen. Stunden später kommen wieder Wolken auf, es gilt den richtigen Augenblick zu erfassen.

Hong Kong, diese vibrierende, pulsierende, nie schlafende Megacity nimmt dich unmittelbar mit hinein in den ständig flutenden Strom der Menschen und Autos. Welch ein Kontrast zu Singapur – eine völlig andere Welt nur wenige Flugstunden voneinander entfernt. Und als sich abends der Hunger einstellt, leuchten Jürgens Augen, als er uns, einer weiteren Regel folgend, nicht in ein Restaurant, sondern zum Poor Man’s Night Club auf Hong Kong Island bringt. Lautes buntes Treiben openair und Feuerstellen rundherum. Sauberkeit? Hygiene? Auf den ersten Blick nicht wirklich zu erkennen. Ein erster Rundblick und ich sage spontan „hier esse ich nicht“, den Durchfall schon vor Augen. Und dann war ich es, der am nächsten Abend nur dort wieder hinwollte, leckerer kann man nicht essen und trotzdem gesund bleiben. Die alte Regel, „cook it, boil it or forget it“ war hier gesichert durch die riesigen Woks über den hellen Flammen. Nach mehreren Gängen gut gesättigt, fahren wir mit der „Star Ferry“ wieder zurück nach Kowloon und unternehmen noch einen Verdauungsbummel über einen anderen night market: Die berühmte Temple Street mit Wahrsagern, Handlesern, kleinen Bühnen mit Canton-Operaufführungen, Majong spielenden älteren Herren, schon in Schlafanzügen und Pantoffeln, unzähligen Verkaufsständen.

Poor Man’s Night Club Hong Kong Island

Spontan gebucht für den nächsten Tag hatten wir eine Fähre nach Macao, und es sollte erst losgehen, wenn eine weitere Regel für Asien eingehalten war: Toilettengang für den ganzen Tag im Hotel, und erst dann auf Tour. Wir fuhren mit dem normalen Boot zusammen mit den Einheimischen, das Schnellboot nehmen die Eiligen und Touristen. Und bald wurde mir klar warum. Kurz nach Verlassen der Hoheitsgewässer Hong Kongs gab es einen riesigen metallischen Krach auf unserer Fähre – nicht von einer Kollision, sondern von hunderten in Hong Kong verbotenen Spielautomaten ratterten die Gitter herunter, und fast alle an Bord stürzten sich an die Geräte, für einige Stunden Glücksspiel pur. Macao, das portugiesische Pachtgebiet, ist interessant zu sehen, hat aber vor allem das Las-Vegas-Flair einer Casionostadt. Das große Casino war eher langweilig, aber am Meer lag das Floating Casino, ein Abenteuer dort zu sein. Eine ganz andere Klientel hockte da, streng überwacht, an den Spieltischen, tief gebeugt über ihre uns unbekannten altchinesischen Spielkarten, diese nur dicht vor ihrem Gesicht kurz am Rand aufliftend, vor Blicken von wo auch immer sicher. Ein Feeling wie in einem Mafia Film. An den Türen auf den verfilzten Uralt-Teppichen die alten Spucknäpfe, Relikte aus früheren Dynastien, die zielsicher benutzt wurden. Nicht allzu lange können wir bleiben, von allen Seiten argwöhnisch als „Langnasen“ beäugt, eine Art diskreter Rausschmiss.

Floating Casino Macao

Und weiter geht’s nach Bangkok, wo wir nach Besichtigung der Hauptsehenswürdigkeiten zu einem kleinen, Jürgen von früher bekannten Reisebüro gehen. Wir geben unsere Pässe ab – ich glaube, die sehen wir nie wieder – und bitten den Chef des Exotissimo -Travel- Bureaus etwas für uns „off the beaten tracks“ in Indochina zu finden, Anfang der 90er für Touristen noch absolutes terra incognita.

Durch den dichten Verkehr fahren wir dann mit dem Bus an die Küste um nach Kot Samed überzusetzen, einer kleinen Insel im Golf von Thailand. Am Strand eine größere Hütte, wo wir unsere Koffer abgeben. Hier habe ich wohl zum letzten Mal dieses Unsicherheitsgefühl, z.B. mein Gepäck nie wieder zu sehen. Diese andere Art zu reisen war zunehmend Teil meines Verständnisses von „Reisen“ geworden. Wir steigen in ein kleines Boot zu einer Insel ohne Tourismus zur absoluten Stranderholung. Am Landesteg werden wir mit einer Kreidetafel begrüßt von dem stolzen Besitzers seines ersten Cellphones, über das unsere Hütten erstmal gebucht werden konnten. Eine traumhafte Zeit, etwas gewöhnungsbedürftig nur das Schlafen auf Bambuspritschen. Das schönste Erlebnis kam am nächsten Morgen. Die Inselbewohner auf unserer Seite der Insel, die Frauen in ihren bunten Kleidern, gingen zum Sonnenaufgang ins Meer; und wir standen mit ihnen bis zum Hals im warmen Wasser, der frühen Sonne entgegen blinzelnd. Ein letztes Paradies, aber leider auch schon gefährdet: An unserem letzten Tag legte ein erstes Boot mit Tagestouristen aus Bangkok an…

Der Pineapple Beach von Koh Samed

Zurück in Bangkok sah uns der Chef des Reisebüros schon kommen und winkte mit unseren Pässen. Strahlend übers ganze Gesicht verkündete er uns die totale Überraschung, dass wir mit zu den allerersten Ausländern gehören, die nach dem Vietnamkrieg ins Land kommen können. Stolz überreicht er uns ein Dreitagesvisum und Ticket für Ho Chi Minh City (Saigon). Wir können es kaum glauben und haben auch nicht mehr viel Zeit bis zum Abflug. Wir geben unser Gepäck im „left luggage“ ab und fliegen nur mit dem Nötigsten ab.

Wir werden von unserem Führer, einem linientreuen verdienten Mitglied der KP Vietnams, abgeholt und in ein Hotel gebracht. Schon während der Fahrt erhalten wir klare Anweisungen über das Programm und eine Karte, auf der die Stadtteile markiert sind, in die wir nicht dürfen. Jahre nach Ende des Vietnamkrieges öffnet sich Vietnam vorsichtig, und man fühlt sich weit zurückversetzt in der Zeit.

Nach einer, garantiert nicht der letzten, lukullinarischen Kostprobe in Saigon lassen wir uns mit Tricyclen durch Saigon fahren.

Tricycle Taxi in Saigon

Auf den Straßen wimmelt es von Fahrrädern, Mofas, Rikschas, nur vereinzelten Autos und den Menschen, die in ständiger Bewegung sind. Erschreckend, wie dünn und ausgezehrt viele sind. Aber alles funktioniert ohne Unfälle in diesem Verkehrsgewühl ohne erkennbare Regeln. Und dann tauchen wir ein in die Schrecken des Vietnamkrieges. Vorbei an ausgebrannten Panzern, auf denen Kinder spielen, und abgeschossenen Helikoptern gehen wir ins Kriegsmuseum. Die Fotos der Opfer von Napalmbomben und die als Folge von Agent Orange entstellten Föten in Glascontainern lassen uns erstarren. Was wir dort sehen, ist kaum zu ertragen und wirkt noch lange nach.


Am nächsten Tag fahren wir mit unserem Führer über Land vorbei an malerischen Reisfeldern und tausenden von Enten, die in Lastwagen herangefahren werden und sich in die unter Wasser stehenden Reisfelder zur natürlichen Schädlingsbekämpfung stürzen. Unser Ziel sind die berühmten Tunnelanlagen von Chu Chi, deren Eingänge so gut getarnt sind, dass wir sie trotz intensiver Suche nicht finden können. Sie werden gerade für Besichtigungen hergerichtet, und es ist ein beklemmendes Gefühl in einen solchen Tunnel hineinzukriechen. Die Gänge in drei Etagen hielten in Kriegszeiten alles vor, was die Vietcong brauchten; auch Küchen, deren Rauch zur Ablenkung so geleitet wurde, dass er erst Kilometer entfernt auftauchte. Absurd allerdings war wohl ein als Devisenbringer eingerichteter Schießstand, betreut von teilamputierten „Vietcong“, um dort mit den alten Waffen der Vietcong zu schießen. Wir lehnen das Angebot höflich ab. Auf dem Rückweg fahren wir an der amerikanischen Botschaft vorbei, wo in Panik die letzten amerikanischen Soldaten und Botschaftsangehörigen in Hubschraubern vom Dach aus knapp vor den einrückenden nordvietnamesischen Truppen entkommen waren. Und auf den Straßen in Saigon immer die Konfrontation mit den Opfern der amerikanischen Bombardements: An Armen und/oder Beinen amputierte Kriegsversehrte, die sich mit ihren verbliebenen Knochenstümpfen, auf Pappkartons kauernd, mühsam einen Weg durch die Menge bahnen, um ein kleines Almosen betteln…

Die unsichtbaren Tunneleingänge



Mutige Entschiedenheit Außergewöhnliches zu tun, wenn es plötzlich möglich ist, erlebte ich als ein weiteres Merkmal des anderen Reisens. Besondere Orte zur richtigen Zeit zu erleben, kleine Zeitfenster, die oft ruckzuck wieder zu sind. Solch ein besonderes Erlebnis erschließt sich uns auf dieser Reise.

Nur wenige Stunden bleiben uns heute noch in Ho Chi Minh City, und wir entwischen durch den Lieferanteneingang unserem Führer, mieten eine Tricycle, und der Fahrer fährt uns in verbotene Bezirke, zu Kellergewölben, wo ehemals Kunstschätze aus Tempeln versteckt waren, und zu einem Markt, aus dessen Labyrinth wir alleine wohl nur sehr mühsam wieder herausgefunden hätten. Er hatte nicht draußen gewartet, sondern uns begleitet, zunächst unbemerkt, an zwei Stellen gesagt weiter zu gehen und uns so die Sicherheit gebend, diesen Ausreißer-Trip zu genießen, um dann mit etwas schlechtem Gewissen zu unserem „Aufpasser“ zurückzukehren. Die leichte Panik wich nur langsam aus dessen Gesicht, als er uns ankommen sah. Zur Versöhnung luden wir ihn am Abend zu einer „dinner cruise“ auf dem Saigon River ein. Eine winzige Küche im Unterdeck, in der schweißgebadete Köche frisch gefangene Meeresfrüchte für uns im Wok zubereiteten, während wir im Oberdeck einen Blick auf die am Kai liegenden Transportboote blicken konnten; entladen wurden sie nicht etwa mit Kränen, sondern von Kulis, die auf schwankenden Planken zentnerschwere Reissäcke auf ihren Schultern balancierten…
Vietnam 1991, welch ein Erlebnis zum Ende einer Asien-Reise, die mich für zukünftiges Reisen prägte.

(Fotos B.Mielke, J. Steinmeyer)

Border Crossings

Border crossing points 

May 2016 in New Mexico

Do you really want to go to Mexico?

We took a wrong turn and suddenly we are standing at the border crossing of the USA to Mexico. Astonished, we are denied entry, and are allowed to turn around. On the highway, we now drive farther west along the American Mexican border. To the right and left of us, there is an empty wide desert landscape; and a deep ditch, from which, from time to time, police cars of the Border Control drive up, looking for illegal immigrants.

The black asphalt band in front of us flickers in the burning sun that accompanies us all day long. With the comfortable rental car, pleasantly cooled down, drinks sit on the console and cruise control.  We continue our journey, relaxed, and can experience the landscape in front of us. This feeling of driving and traveling is not available in Europe. We started from Los Angeles for a round trip through the national parks of the southwest, with an imaginary route. We had some fixed destinations but without a precise plan – except for the pressure of our return date. We like to „tinker“ and let ourselves be surprised, as we are on the route from El Paso to the west, always along the border to Mexico.  We usually start looking for a motel in the late afternoon.  We cannot assume that the small-place names on the map will be a place to stay. We are thinking about driving up from this border road to the highway. But then the unexpected happens: at the entrance to Columbus we see, to our astonishment, a big hotel sign. Without hesitation, we drive up and it says „vacancy“. 

Hotel Las Milagros Columbus, New Mexico

After a nice talk with Philip, the owner of the hotel, we check in. Opposite a building is a big advertisement for a restaurant and everything seems to be fine. To find all this in a small, a little bit desolate place, surprised us.

United States- Mexico – Border cities

Then we came to Mexico with the important question of whether we really wanted to go there.

„This restaurant here has been closed for a long time. I’ll take you over to a good restaurant in Mexico in 10 minutes.  That’s a good thing. I have to go to that restaurant anyway, their son is a new student here,“ says Philip, the hotelier. 

Do we need a visa for Mexico? “,we ask.

“It doesn’t matter if we drive back and forth here, it doesn’t matter, I will drive,“ said Philip.

Joyful surprise and amazement quickly changed our impression of a small, desolate desert town in many ways. 

I am a republican and you‘re? was the beginning of the conversation in the car – an unexpected start. “We are social democrats”, we said. 

“Ok”, he said without comment. Then it became clear how narrow ideologies and prejudices can be; how important it is to have human encounters and to recognize the individual without classifying him or her in the same way.

On the short drive to the border and afterwards, we learned about his impressive life story and that of the people in this region, which borders nearby. Originally from California and an entrepreneur with a production plant in Mexico, he stayed in Columbus and is now the mayor of Columbus, hotelier, tour guide, tour organizer and school bus driver, all combined in one person.

We were simply waved through at the border and thus came to the province of Chihuahu.

Just behind the border we see signs atypical for a small border town: American Dental Clinic and Optometrist Clinic. This is where the Americans go to get cheap dental prosthesis and other medical services that are so expensive in the USA. On the American side, there is a maternity clinic, where Mexican children are born Americans;  we learn this during the short drive. As the school bus driver, our companion picks up the children from Palomas de Villa every morning, takes them to the high school in Columbus, and brings them back in the evening. For more than 50 years, people on both sides of the border have felt basically like a community. While he talks with the parents about their son as a new high school student, we enjoy a super Mexican meal and then drive back to the hotel, waved through at the border.

Puerto Palomas de Villa, Chihuahua, Mexiko: in the restaurant La Fiesta with the mayor of Columbus

We had an emotional and thought-changing experience of a shared world, which has a strong influence on us and strongly revitalizes many of our previous prejudices, or rather, transforms them into new judgments.

The next morning, we cordially say goodbye and drive further west to our next destination with the name Twenty-Four Palms, which is expected in this desert region. 

With cocktails at the pool under illuminated palm trees, reality suddenly returns. We enjoy the evening in the company of a nice couple and then the conversation turns to politics. We are shown a video on our smartphone as proof that Hillary Clinton is Muslim, and we realize that we have landed in the 2016 election campaign. But this could not overshadow our experience of Columbus.

Now, years later, in November 2020, with my project to write about outstanding moments on a journey, the images and conversations come back and the question of how Columbus fared. The research shows grief and hope at the same time.

The ideology did not spare Columbus and Palomas either. The two places have changed greatly and separated them.

But now new hope appears on the horizon, that this „once-human-border relationship“ (people.uweg.edu) will become a reality, is revived and the will is there to resume the old connections before it is too late.

We drove through this desert landscape in May and the otherwise only green cacti bloomed in all red and yellow colors. These flowers stand for the possible beauty in this world and in interpersonal relationships. For some years, it was only a hope, which perhaps leads back to the common ground with the next flowering.

The wish arises within us to see this place again.

(c) Dr.Burkhard Mielke. All rights reserved.

All pictures © by Burkhard Mielke, all rights reserved, commercial and private use prohibited.

English translation editor : Dr. Marilyn C. Terranova, NY

Gorilla Meetings

Uganda 2020

Almost 50 years ago, an acquaintance told me that he had raised a baby gorilla for a zoo at his home a few years earlier. He invited me to visit his former fosterling at the zoo. As soon as we entered the corridor to the enclosure, the gorilla let out the first silent cries of joy. He immediately sensed his foster father. This impressed me very much, since he had not been to visit for a long time. My enthusiasm quickly gave way to a certain feeling of fear when the enclosure was unlocked and the foster father simply took me into the cage. The gorilla, by now grown to a stately size, hugged his visitor happily and excitedly, then looked to my left and also took me in his arms without crushing me. My heartbeat stopped briefly, but then it was a unique feeling in the warm bond between man and animal.

And now I was face to face with these magnificent gorillas in the wild.

We have driven through Uganda over the past nine days, always thinking in the back of our minds about day 10 : Will it rain? Will we see the gorillas…? Shortly before our arrival in Entebbe, there were torrential rains and floods. Since then, the floods have receded and the rains are less frequent and shorter. This gives us hope. We can drive again on the pre-planned routes, which were impassable days before. Tomorrow we will arrive at Bwindi National Park, where several gorilla families live. Excitement is building, and despite a few nightcaps, it will be a somewhat restless night of anticipation, and residual uncertainty as to whether the weather will cooperate. It rained most of the day yesterday, but today the sun is shining, slowly displacing the fog. We are lucky. But the ground is still damp. And then the adventure begins. We meet the rangers and porters, have to hand in our passports and are assigned to a group. A maximum of eight people belong to a group. Before we start, we get enough information about safety regulations and rules of conduct during the search for the gorillas and the encounter with them. There are five families in this park and we will try to find the Bweza family. Our ranger tells us that the family has been spotted by the scouts in a certain area, so we know approximately where they are. I take a porter as a helping hand. These are young men from the area who earn some extra money to live this way. A large sturdy stick is given to us for support, and off we go. Full of energy we set off, and it promises not to be a particularly difficult path, with magnificent views of the surrounding panorama of the mountain rainforest.

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Then our ranger turns left, and from there it’s a steep climb through dense undergrowth. We follow the guides, who cut a path through the mountain rainforest with machetes – always with one side close to the slope and the abyss in front of our eyes on the right. We are now at an altitude of over 2000 meters. For more than two hours we have been walking through dense jungle, over slippery, damp roots, brushing against thorn bushes, sometimes getting tangled in lianas or stumbling through hidden depressions. In some places we have to climb quite steep slopes, always in danger of slipping or hurting ourselves.

All of a sudden, everything matters. The climb takes us to our limits. Every slip and stumble costs strength and only the thought of the gorillas keeps us running stubbornly, panting and staring at the impassable terrain in front of us. Short breaks are necessary again and again, and one of our group almost seems to collapse, so that we stay on our break little longer. Physically I’m doing well, but my somewhat too slippery shoe soles require full concentration at every step. Several times I owed my Porter for everything going well. Fortunately, we only hear about daily casualties and the „Uganda Helicopter“ (eight alternating porters with stretcher) later from Moses, our driver. The ascent and the search became more and more arduous.

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But then our high spirits abruptly return. Due to the full concentration at every step of the steep ascent and on the verge of exhaustion, sounds suddenly reach our ears. I am electrified. „They must be there“ my porter points further up. Our last energies are now mobilized; we want to see the mountain gorillas, which is not always guaranteed.

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Actual distance traveled in search of „our“ gorilla family (GPS)

We still have to crisscross for a while, then we see the stop sign of our ranger. She shows us the first members of our gorilla family high in front of us on the tree branches.

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What a sight!
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The exertions of the ascent are blown away, and the euphoria is back, but we are not allowed to express it: Silence is the order of the day at this encounter of man and beast in the wild. We have one hour to observe the Bweza group. Tis is a profound emotional experience.

We continue walking to get closer to the group. Behind a bend in the road, our ranger stops, and suddenly we find ourselves face to face with a mother and two cubs. I ask quietly, „What now?“ She shrugs her shoulder and watches the mother with full concentration. Then she relaxes. The mother turns to the side, grabs a branch and starts eating leaves with gusto.

The little gorillas behave like all children, and come rolling towards us, cheerful and unconcerned, right up to our feet.

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But they are not allowed to come that close to us because of the danger of infection. After a small slap with the side of the machete, they retreat to a tree, insulted.

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After this first exciting and then cheerful experience, we move on and meet the whole family in a hollow a few meters below us.

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Central focus: the silverback
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Eating and playing are the main occupations of the little ones, preferably on the wide silver back.

We now have an hour to observe the gorillas. From now on, time is running out and I want to savor every second of it. Various emotions are pouring in on me and I can hardly believe how carefree the animals – sometimes only an arm’s length away from me – are going about their business. After the long ascent, from our point of view much too fast, the ranger gives the sign to leave. But then she suddenly stops and sees something that she herself, despite many years in the park, has never experienced: two teenagers make their first, still clumsy and futile attempts at love. She films this event extensively, and so we can stay a while longer.

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They do not let us disturb them. In a long habitation process, the Bergorilla families have been accustomed to these short visits.

Fulfilled and happy, the reality of the shorter but no less dangerous descent enters our consciousness. With slight bruises, strains and thorn marks, we reach our starting point in Bwindi National Park, otherwise unharmed.

There we say goodbye to our porters, without whom we would not have managed this adventure, and receive our gorilla trekking diploma. When I am called for the diploma, everyone starts clapping. The rangers must have read my date of birth in my passport, and I am supposed to have been the oldest participant here so far. Astonished and a little touched I thank them. Before we left I treat with the help of my emergency package a Ranger, who had cut himself deeply with the machete and made it „expertly“, as learned in the first aid class. Then we went back to Traveller’s Rest, the lodge where Dian Fossey had also stayed.

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The next day is dedicated to rest, and we gratefully accept the offer of a „Relaxing after Gorilla Massage“.

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Only after this relaxation did I really realize how lucky we had been with this unique experience of meeting the Bweza group. There are events that are difficult to put into words.

Before and after we drove a total of 2600 km, a big circle through a beautiful country. Unfortunately it is destroying its natural parks for economic reasons. Let’s hope for a turn to sustainable protection of the basic needs of people and animals in this beautiful but very poor country, and for the salvation of a unique nature.

(c) Dr.Burkhard Mielke. All rights reserved.

All pictures © by Burkhard Mielke and Jörg Neidig, all rights reserved, commercial and private use prohibited.

English translation editor : Dr. Marilyn C. Terranova, NY

Die große Migration

Safari in Tansania, Februar 2016

Unsere Begegnung mit der Serengeti („die Unendlichkeit“ wie uns Fahrer Steven den Namen übersetzt) beginnt mit einem Knall: Kurz nach der Einfahrt in den Nationalpark stoßen wir auf eines der faszinierendsten Ereignisse, denen man hier begegnen kann: die „Great Migration“, die große Gnu-Wanderung, die jedes Jahr im Februar/März beginnt. Mehr als 1,7 Millionen Gnus, 250.000 Zebras und noch mal so viele verschiedene Gazellen-Arten sind gemeinsam unterwegs.

Unterwegs sein heißt für sie: den ganzen Tag Rennen, Rennen, Rennen, und am frühen Abend ausschwärmen in die ganze Ebene zum Fressen, Fressen, Fressen für die Strecke des kommenden Tages, und in dieser Zeit muss alles passieren, was Erholung und neue Kraft bringt auf dem Weg aus dem bereits von der Sonne versengten den noch frischen Grasflächen und nördlichen Wasserstellen, immer auf der Hut vor den bereits auf sie wartenden Raubtiere, die ihrerseits ums tägliche Überleben kämpfen.

Wir wollen dieses Schauspiel noch ewig genießen, aber wir müssen weiter, denn es beginnt zu dämmern und die Lodge wartet. Dort tauschen wir uns mit den anderen Gruppen aus und genießen dieses unerwartete Erlebnis bei kühlem Serengeti-Bier, nicht ahnend, was die nächsten Tage noch bringen würden.

The great Migration

Während der nächsten Tage fährt uns Steven auf roten, holperigen Sandpisten mit Tempo 30 durch die einzigartige Landschaft. Es gibt nur wenige Plätze auf der Welt, wo die Savanne solch einer Fülle an unterschiedlichsten Tieren als Lebensraum dient. Giraffen, Elefantenherden, kleine und große Wildtiere, Löwenfamilien direkt neben uns, Leoparden und unzählige bunte Vögel in allen Größen. Man kommt aus dem Staunen nicht heraus. Und dann stoppt unser Fahrer plötzlich, und während wir in alle Richtungen gucken, auf der Suche nach einem der Big Five, zeigt er uns mitten auf der Piste einen kleinen Pillendreher, der eine für ihn riesige Kugel rückwärts über die Piste rollt, in die später ein Skarabäus-Weibchen ihre Eier legen wird.

Welch ein Kontrast zu unseren Erwartungen!

Wo wir nur Bäume sehen, zeigt uns Steven Löwen und Leoparden in Bäumen liegend, die wegen vorangegangener Regenfälle ihre Fußsohlen trocknen, er sagte voraus, dass sich ein Vogelstrauß gleich im heißen Sand „entlausen“ würde und so geht es weiter… Und das zeigt uns, was das wichtigste auf einer Safari ist – ein guter Fahrer und Führer, der die Fauna und Flora seines Landes kennt und in ihrer Gesamtheit lebt und so einen besonderen Blick in die Natur hat. Von ihm erfahren wir dann auch, dass es neben den „Big Five“ auch die “Little Five“ gibt, die nach den fünf großen Brüdern benannt wurden: Leopard Tortoise, Buffalo Weaver, Rhino Beetle, Elephant Shrew und Ant Lion.

Ohne die kleinen Lebewesen gäbe es die großen nicht, so ist der Gang der Natur. Steven zeigte uns an anderer Stelle eine Kolonie Geier bei einem Kadaver. Nacheinander setzen so unterschiedliche Tiere, große und kleine, ihre Werkzeuge ein, um ihre Aufgaben in diesem Prozess des Werdens und Vergehens auszufüllen.

Zwei Tage und viele begeisternde Erlebnisse später machen wir uns auf den Weg, die Serengeti wieder zu verlassen, denn der berühmte Ngorongoro-Krater ist unser nächstes Ziel. Aber es wartete noch eine Überraschung auf uns. Wir treffen ohne Vorankündigung ein 2. Mal auf den Zug der Tiere. Unglaublich! Steven hatte sich mit anderen Guides ausgetauscht und erfahren, wohin die Tiere weitergezogen sind.

Wir sehen sie wieder! Noch in einiger Entfernung laufen Tausenden von Gnus, einige Zebras dazwischen, als dunkle Masse von schwerfälligen Leibern, denen wir immer näher kommen. Unmittelbar vor uns kreuzt dann der Zug unsere Piste, und wir haben Zeit dieses Schauspiel zu genießen. Die Tiere trotten in einer schier unendlich scheinenden Reihe vor sich hin, um dann unvermittelt für eine Weile loszurennen. Irgendetwas löst bei einem einzelnen Gnu diese Reaktion aus, und der Herdentrieb setzt dann alle in Bewegung.

Für ein Picknick halten wir mittags im Schatten einer großen Schirmakazie und erleben dabei einen lebendig gewordenen Traum. Ringsum in jeder Himmelsrichtung bis zum Horizont sind hunderttausende, ja vielleicht Millionen Tiere zu sehen, die nach Norden streben

Tansania Reise&Informationsportal Karte der Migration

Anfang und Ende des Zuges sind nicht mehr zu erkennen, die Reihe der Tiere erstreckt sich von Horizont zu Horizont, wie eine Urgewalt und wir stehen mittendrin. und Steven meint nur „You are very very lucky to be able to see this“.

Der Motor startet, und unser Fahrer bahnt sich vorsichtig einen Weg durch die Masse der wandernden Tiere und tritt die Reise zum Ngorongoro-Krater an, vorbei am Gedenkstein für Michael Grzimek. Aber eigentlich wissen wir, dass nichts auf dieser Reise auch nur annähend eindrucksvoll sein konnte, wie die Migration. Das muss der Höhepunkt gewesen sein, alles andere war nur Bonus. Und so startete unsere Fahrt in den Krater bei Nieselregen und Bodennebel, der sich aber schnell mit den ersten Sonnenstrahlen auflöste. Und plötzlich stehen wir vor einem der letzten 50 verbliebenen Spitzmaulnashörnern in Tansania.

Spitznashorn

Und als ob dies noch nicht genug Safariglück gewesen wäre, erleben wir noch das für mich emotionalste Ereignis dieser Reise am Ausgang des Kraters. Wieder stoppt der Wagen plötzlich und dann wird uns klar warum. Wir stehen nur wenige Meter von einem Gnu entfernt und Steven sagt uns, dass die Geburt des Kalbs unmittelbar bevorstehe, ja tatsächlich in weniger als 10 Minuten beginnen würde. Niemand von uns hätte dies bemerkt. Während die anderen Tiere weiterlaufen, legt sich die Gnu- Kuh nieder, mehrere männliche Gnus bleiben wie eine Schutzwache neben ihr stehen. Dann sehen auch wir die stärker werdenden Wehen. Mehrmals steht sie wieder auf, wechselt die Position, legt sich wieder nieder und dann beginnt die Geburt.

Ein Moment vollkommener Stille tritt ein, ein kurzer Moment ohne jedes Klicken eines Fotoapparates, völlige Faszination und Ergriffenheit angesichts dieses Wunders des neuen Lebens, so normal und selbstverständlich und dennoch berührend die Verletzlichkeit in der Natur und Geborgenheit in der Herde.

Mich hat dieses Erleben der Geburt so ergriffen, das ich ganz gegen mein übliches Fotoverhalten während des gesamten Geburtsablaufs kein einziges Bild machte und dies erst bemerkte, als alles vorbei war. Wie schön, dass mein Freund Jörg, sonst überwiegend zuständig für die Teleaufnahmen, diese Nahaufnahmen für mich mit übernommen hat.

Geboren

Das Neugeborene fällt heraus auf den Boden, es strampelt sich aus der Hülle der Fruchtblase wird freigeleckt und angestubst, und das heißt: Aufstehen, auf die eigenen Beine kommen, umfallen, wieder angestubst, aufstehen und mit stakeligen Beinen nochmals umfallen, wieder aufstehen und trinken und dann dreht sich die Mutter um und läuft weiter, und das Junge muss mitlaufen, um zu überleben. Die Geburt muss schnell über die Bühne gehen, das neugeborene Gnu muss sofort versuchen auf die Beine zu kommen, um dann mit der Mutter im Schutz der Herde mitzulaufen, denn diese wird schon umkreist von auf Beute lauernden Hyänen und anderen hungrigen Jägern.

Nichts ist eine leichtere Beute als ein Neugeborenes.

Aufstehen
Schnell trinken
Auf geht’s
Auf der Jagd

Und während wir die Geburt erlebt haben, erfahren wir am Abend von der zweiten Gruppe von der Jagd auf und dem Tod eines anderen neugeborenen Gnus. Geburt und Tod, Fressen und Gefressen werden, als natürlicher Ablauf des Lebens, findet hier zu jeder Zeit statt.

Dieses unmittelbare Erleben der Größe und des Wunders der Natur und der Erkenntnis, dass alles miteinander zusammenhängt, relativiert den Glauben an die menschliche Überlegenheit und führt zurück zu der Erkenntnis, dass wir nur ein Teil dieses Kosmos sind, nur ein Teil des Werdens und Vergehens, während die Welt davon unberührt sich weiterdreht. Nur, dass der Mensch die Fähigkeit hat zu denken und sich zu entscheiden zwischen den Möglichkeiten im Einklang mit der Natur zu leben oder sich alles unterzuordnen und damit die Natur, unseren Lebensraum und unsere Zukunft zu zerstören.

(Fotos: B. Mielke, J. Neidig)

Ost-West-Nord-Süd

Deutschland und Vietnam – eine Reise mit Thomas Billhardt

März 2019

Vietnam Halong-Bucht .

Es ist eine warme, sommerliche Nacht. Auf dem Wasser spiegeln sich die Lichter anderer Boote, die wie wir an diesem romantischen Ort für die Nacht vor Anker gegangen sind. Schemenhaft sieht man die für die Bucht charakteristischen kegelartig geformten und bewaldeten Kalksteininseln.

Halong Bucht bei Tag und bei Nacht

Nach einem erlebnisreichen Tag in dieser traumhaft schönen Umgebung sitzen wir an Deck mit einem Glas Wein und sprechen über diese Bucht und wie sie vor Jahren ohne viele Besucher vielleicht noch schöner gewesen sein mag. Und dann fällt der Satz: „Jetzt sitzen wir hier und und sprechen ganz normal miteinander“. Nach einem kurzen Schweigen stoßen wir an und wissen, dass in diesem Satz all das zusammenfließt und auf den Punkt gebracht ist, was uns Beide hierher geführt hat. Der einladende Reise-Flyer, der am Ende einer Tagung im Rosa-Luxemburg-Haus unser Interesse geweckt hatte, die Ankündigung der Mitreise und Kommentierung der Fahrt durch Thomas Billhardt, ehemaliger DDR-Fotograf und Zeitzeuge des Vietnamkriegs; auch wenn wir von diesem in weiten Teilen der Welt bekannten und geschätzten Fotografen noch nie gehört hatten, versprachen wir uns davon eine kundige Reisebegleitung und vielseitige Einblicke in das heutige Leben im damaligen Nord-Vietnam. Und so war es dann auch. Unsere erste Begegnung mit Thomas Billhardt musste aber noch warten, er war schon vorgeflogen und empfing uns in Hanoi.

Berühmt geworden war Billhardt für seine Berichte aus Kuba und seine Präsenz während des Vietnamkrieges. Der gesamte Westen, in dem wir groß geworden sind, kannte unausweichlich das Bild des Fotografen Nick Út (The terror of War), das brennende, nackte, vor Schmerzen schreiende kleine Mädchen auf der Flucht vor weiteren amerikanischen Napalm Bomben. Die bildgewordene Anklage gegen den Krieg in Vietnam. Niemand von uns aber kannte das Foto „Liebe im Krieg“ von Thomas Billhardt, ein Soldatenliebespaar mit geschulterten Gewehren, händchenhaltend auf einen See zugehend. Auf der einen Seite der Schrecken und auf der anderen Seite inmitten der täglichen Gräuel und des Sterbens die Liebe und die Hoffnung auf eine Zukunft ohne Krieg.

Das Bild „Liebe im Krieg“ – gefunden in einem Laden in Hanoi

Es war also gar kein Zufall, dass die Reisegruppe außer meiner Reisegefährtin und mir ausschließlich aus Mitreisenden aus dem Osten Deutschlands bestand, denen natürlich ein Thomas Billhardt ein Begriff war, ebenso wie auch Verbindungen mit Nord-Vietnam. Uns war es erst so nach und nach klar geworden, dass dies eine für uns nicht übliche Buchung war: bei einem Reisebüro aus der ehemaligen DDR, die exklusive Leserreise des „Neuen Deutschlands“, die Anreise mit Abflug von Berlin Schöneberg mit Aeroflot über Moskau nach Hanoi. Bei jedem Mitreisenden, mit dem wir ins Gespräch kamen, wurde klarer, dass sie alle in der ehemaligen DDR groß geworden waren und bis heute dort lebten, und wir dennoch gemeinsam Reisende waren, die in diesem Augenblick des selbstverständlichen Beieinandersitzens in der Halong -Bucht realisierten, wie wenig selbstverständlich diese Gemeinsamkeit über lange Zeit gewesen war, auch lange nach dem Mauerfall noch. Und diese Feststellung der Normalität geschah am 5. Abend unserer gemeinsamen Reise, und es entwickelte sich eine große Offenheit und Interesse füreinander.

Das zentrale Erlebnis dieser Reise von Nord nach Süd in Vietnam war unser Reisebegleiter. Täglich hörten wir von ihm Geschichten über seinen abenteuerlichen und oft lebensgefährdenden Einsatz als Fotograf in Hanoi. Und er hatte wegen der Vorbereitung einer Ausstellung mit dem Goethe-Institut in Hanoi seine Fotobücher bei sich, die diese schwierige Zeit der Bombardierung Hanois dokumentierten. Besonders nahe gingen die Bilder kleiner Jungen, die unter den Kanaldeckeln Schutz suchten. Die ergreifenden Schilderungen waren auch deshalb so beeindruckend, da sie aus eigenem direkten Erleben völlig ohne irgendeinen Hauch von Ideologie erzählt wurden, als Schilderung des menschlichen Lebens in dieser Zeit in Nordvietnam, von dem wir wenig wussten. Ebenso fesselte auch seine eigene Lebensgeschichte, die ihn zu einem Wanderer zwischen den Welten Ost und West machte. Für die Regierung der DDR war er als Fotograf nach Kuba geschickt worden und, was damals nicht alle für sicher hielten, er verschwand nicht bei einer Zwischenlandung in Kanada, sondern kehrte in die DDR zurück. Fortan hatte er die Möglichkeit zu jeder Zeit auch in den Westen zu kommen. Er galt nun als „zuverlässig“ und seine Berühmtheit – gefördert durch seine Berufung als Kinderfotograf der UNICEF – machte ihn ziemlich unangreifbar. Bis er kurz vor Ende der DDR in Gefahr geriet sein Fotoarchiv zu verlieren, das er aber auf abenteuerliche Weise doch noch rechtzeitig in Sicherheit hatte bringen können.

Ost-West-Kontraste aus alten Zeiten und ihre Fortsetzungsgeschichten traten auf dieser Reise immer wieder auf. Zwei vietnamesische Reiseführer, beide mit Deutschlanderfahrungen aus der Kriegs- und Nachkriegszeit, zwei Welten. Der Reiseführer der ersten Woche hatte in der DDR Maschinenbau studiert, während zu Hause der Krieg tobte, nicht ganz ohne schlechtes Gewissen, aber mit einer Treue gegenüber alten wirtschaftlichen Kontakten und Wissenstransfer; der Andere als ehemaliger Flüchtling, illegal in Westdeutschland, in ständiger Angst von der Polizei ohne Papiere aufgestöbert zu werden und nach Hause abgeschoben, was ihm tatsächlich nicht erspart blieb. Gerne würde er seine deutschen Freunde noch einmal besuchen, mit denen er bis heute in Kontakt ist, aber in Deutschland leben würde er nicht mehr wollen. Im heutigen sich öffnenden und entwickelnden Vietnam sieht er sein Zuhause.

Und so zogen wir durch das Land von Nord nach Süd mit einem ununterbrochen fotografierenden Reisebegleiter, der am Abend dann schon mit der Löschung der weniger gelungenen Bilder begann. Wir erfuhren von seiner ersten Ausstellung in Hanoi mit großen Bildtafeln im Freien, und Billhardt berichtete, dass viele dorthin kamen, die auf den Bildern abgelichtet waren und den Krieg überlebt hatten. Wir entdeckten Hanoi anders als bei einer üblichen touristischen Reise, fuhren mit Fahrrädern durch Reisfelder in ein kleines Dorf, um unter Anleitung der Dorfbewohner vietnamesisch zu kochen, besuchten eine Vorstellung im berühmten Lotus Wassertheater, lernten die Kultur der Cham kennen, das Abenteuer einer nächtlichen Zugreise in den Süden zur alten Kaiserstadt Hué, weiter nach Danang und zu der für mich wohl schönsten Stadt Hoi An, der Stadt der tausend Laternen.

An einem der letzten Abende wurden die Erzählungen fortgesetzt, ost-westdeutsche Biografien ausgetauscht sowie die Nord-Süd Erfahrungen betreffend Vietnam. Und es sind mehr als zwei Deutschlands, die dabei sichtbar werden. Es

Marga, Thomas und Burkhard

Aus dieser Reise entwickelte sich eine Freundschaft zwischen Thomas Billhardt und uns, und gerade schickt er mir seinen neu erschienenen Bildband „Hanoi 1967 -1975“, initiiert und unterstützt vom Goethe-Institut Vietnam und publiziert von Nhã Nam/Vietnam 2020, Krönung seines Lebenswerks.

ISBN 978-604-77-8377-9

Gorilla Begegnungen

Im Januar 2020

Fast 50 Jahre ist es her, dass ein Bekannter mir erzählte, er habe einige Jahre zuvor ein Gorillababy für einen Zoo bei sich zu Hause aufgezogen. Er lud mich ein, gemeinsam seinen ehemaligen Zögling im Zoo zu besuchen. Schon als wir den Gang zum Gehege betraten, stieß der Gorilla die ersten leisen Freudenschreie aus. Er witterte sofort seinen Ziehvater. Das beeindruckte mich sehr, da dieser ja längere Zeit nicht zu Besuch gewesen war. Meine Begeisterung wich dann aber schnell einem gewissen Angstgefühl, als das Gehege aufgeschlossen wurde und der Ziehvater mich einfach mit in den Käfig hinein nahm. Der Gorilla, inzwischen zu stattlicher Größe herangewachsen, umarmte seinen Besucher glücklich und aufgeregt, blickte dann nach links zu mir und nahm mich ebenfalls in den Arm, ohne mich zu erdrücken. Mein Herzschlag setzte kurz aus, aber dann war es ein einmaliges Gefühl in der herzlichen Verbundenheit zwischen Mensch und Tier.

Und nun stand ich diesen großartigen Gorillas in freier Natur gegenüber.

Neun Tage sind wir bereits durch Uganda gefahren, immer im Hinterkopf an den Tag X denkend: Wird es regnen? Werden wir die Gorillas sehen…? Bis kurz vor unserer Ankunft in Entebbe hat es sintflutartige Regenfälle und Überschwemmungen gegeben. Seitdem sind die Hochwasser zurückgegangen und die Regenfälle seltener und kürzer. Das lässt hoffen. Wir können wieder auf den vorgeplanten Routen fahren, die Tage zuvor noch unpassierbar waren. Morgen werden wir zum Bwindi Nationalpark kommen, in dem mehrere Gorillafamilien leben. Die Spannung steigt, und trotz einiger Schlaftrunks wird es eine etwas unruhige Nacht voller Erwartung, Vorfreude und restlicher Ungewissheit, ob das Wetter mitspielen wird. Es hat gestern fast den ganzen Tag geregnet, heute aber scheint die Sonne, die langsam den Nebel verdrängt. Wir haben Glück. Aber der Boden ist noch feucht. Und dann beginnt das Abenteuer. Wir treffen die Ranger und Porter, müssen unsere Pässe abgeben und werden einer Gruppe zugeteilt. Maximal acht Personen gehören zu einer Gruppe. Bevor es losgeht, erhalten wir noch ausreichend Informationen über Sicherheitsvorschriften und Verhaltensregeln während der Suche nach den Gorillas und bei der Begegnung mit ihnen. In einem langen Habitationsprozess hat man die Berggorillafamilien an kurze einstündige Besuche gewöhnt. Dies ist die maximal erlaubte Zeit. Es gibt fünf Familien in diesem Park, und wir werden versuchen eine davon, die Bweza Familie, zu finden. Die Rangerin erklärt uns, dass die Familie von den Scouts in einer bestimmten Gegend gesichtet wurde, und wir also ungefähr wissen, wo sie sich aufhalten. Ich nehme mir einen Porter als helfende Hand. Dies sind junge Männer aus der Gegend, die sich auf diese Weise etwas Geld zum Leben dazu verdienen. Jedem von uns wird ein großer stabiler Stock noch zur Unterstützung mitgegeben, und auf geht’s. Voller Energie brechen wir auf, und es verspricht kein besonders schwieriger Weg zu werden, mit herrlichen Ausblicken auf das umliegende Panorama des Bergregenwaldes.

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Der Bergregenwald Ugandas – Heimat der Berggorillas

Dann biegt unsere Rangerin links ab, und von da ab geht es steil bergauf durch dichtes Unterholz. Wir folgen den Guides, die mit den Macheten einen Pfad durch den Bergregenwald schlagen – immer mit einer Seite nah am Hang und rechts den Abgrund vor Augen. Wir sind inzwischen auf über 2000 Metern Höhe. Seit mehr als zwei Stunden geht es durch dichten Dschungel, über rutschiges, feuchtes Wurzelwerk, Dornenbüsche streifend, manches Mal in Lianen verheddert oder durch versteckte Senken strauchelnd. An manchen Stellen müssen wir recht steile Hänge hinaufklettern, immer in Gefahr abzurutschen oder uns zu verletzen.

Auf einmal spielt alles eine Rolle. Der Aufstieg bringt uns an unsere Grenzen. Jeder Ausrutscher und jedes Straucheln kostet Kraft, und nur der Gedanke an die Gorillas lässt uns stur weiterlaufen, keuchend und mit starrem Blick auf das unwegsame Gelände vor uns. Kurze Pausen sind immer wieder nötig, und einer von und scheint fast zu kollabieren, so dass wir etwas länger verharren. Konditionell bin ich gut dabei, aber aber der feuchte und glitschige Boden erfordert volle Konzentration bei jedem Schritt. Mehrmals verdanke ich nur meinem Porter, dass alles gut geht. Von täglichen Verletzten und dem „Uganda Helikopter“ (acht sich abwechselnde Porter mit Trage) hören wir zum Glück erst nachher von Moses, unserem Fahrer. Der Aufstieg und die Suche werden immer beschwerlicher.

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Bis an die Grenze…

Doch dann kehren die Lebensgeister schlagartig zurück. Durch die volle Konzentration bei jedem Schritt des steilen Aufstiegs und am Rande der Erschöpfung, gelangen plötzlich Geräusche an unsere Ohren. Ich bin wie elektrisiert. „Da müssen sie sein“ zeigt mein Porter weiter  nach oben. 

Letzte Energien werden jetzt mobilisiert, denn wir wollen die Berggorillas sehen, was nicht immer garantiert ist.

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Kurz vor dem Gipfel – Tatsächlich zurückgelegter Weg der letzten Etappe auf der Suche nach „unserer“ Gorilla-Familie (GPS)

Noch müssen wir eine Weile kreuz und quer weiter aufsteigen, dann das Stoppzeichen unserer Rangerin, und sie zeigt uns die ersten Mitglieder unserer Gorillafamilie hoch vor uns auf den Bäumen.

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Welch ein Anblick!
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Wie weggeblasen die Strapazen des Aufstiegs, und die Euphorie ist zurück, darf sich aber nicht äußern: Schweigen ist angesagt bei dieser Begegnung von Mensch und Tier in freier Natur. Eine Stunde haben wir nun Zeit die Bweza- Gruppe zu beobachten. Ein tiefgehendes emotionales Erlebnis.

Wir gehen weiter, um näher an die Gruppe heranzukommen. Hinter einer Wegbiegung stoppt unsere Rangerin, und unvermittelt sehen wir uns einer Mutter mit zwei Jungtieren gegenüber. Ich frage leise: „Was nun?“ Sie zuckt mit der Schulter und beobachtet die Mutter voll konzentriert. Dann Entspannung. Das Muttertier dreht sich zur Seite, greift nach einem Ast und fängt an mit Genuss Blätter zu fressen.

Und die kleinen Gorillas verhalten sich wie alle Kinder, kommen munter und unbesorgt purzelbäumend auf uns zugerollt bis vor unsere Füße.

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So nah dürfen sie uns aber nicht kommen wegen der Infektionsgefahr. Nach einem kleinen Klaps mit der Seite der Machete ziehen sie sich beleidigt auf einen Baum zurück.

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Nach diesem erst spannenden und dann heiteren Erlebnis gehen wir weiter und treffen auf die gesamte Familie in einer Senke einige Meter unter uns.

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Zentraler Mittelpunkt: der Silberrücken
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Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist 1-1-13-683x1024.jpgFressen und spielen sind die Hauptbeschäftigungen der Kleinen, am liebsten auf dem breiten Silberrücken.

Eine Stunde haben wir jetzt Zeit die Gorillas zu beobachten, eine Zeit, die wie im Fluge vergeht. Nach dem langen Aufstieg, aus unserer Sicht viel zu schnell, gibt die Rangerin das Zeichen zum Aufbruch. Doch dann bleibt sie plötzlich stehen und sieht etwas, was sie selbst trotz vieler Jahre im Park noch nicht erlebt hat: zwei Teenager machen ihre ersten, noch ungeschickten und vergeblichen Liebesversuche. Sie filmt dieses Ereignis ausgiebig, und so können wir noch eine Weile länger bleiben.

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Der Abschied von unserer Gorilla Familie

Erfüllt und glücklich kommt die Realität des zwar kürzeren, aber nicht minder gefährlichen Abstiegs in unser Bewusstsein. Mit leichten Prellungen, Zerrungen und Dornenspuren erreichen wir, ansonsten unverletzt, unseren Ausgangspunkt im Bwindi Nationalpark.

Dort verabschieden wir uns von unseren Portern, ohne die wir dieses Abenteuer nicht geschafft hätten, und erhalten unser Gorilla-Trecking-Diplom. Als ich für das Diplom aufgerufen werde, fangen alle an zu klatschen. Die Ranger hatten wohl in meinem Pass mein Geburtsdatum gelesen, und ich soll der bisher älteste Teilnehmer bei diesem Trekking gewesen sein. Erstaunt und etwas gerührt bedanke ich mich, behandele noch kurz mit Hilfe meines Notfallpäckchens einen Ranger, der sich mit der Machete tief geschnitten hatte. Zurück ging’s dann ins Traveller’s Rest, die Lodge,  in der auch Dian Fossey damals gewohnt hatte.

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Abschied von unseren Portern

Der nächste Tag dient der Erholung, und wir nehmen das Angebot einer “Relaxing after Gorilla Massage“ dankbar an.

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Erst nach dieser Entspannung wurde mir richtig klar, welches Glück wir gehabt hatten mit diesem einmaligen Erlebnis der Begegnung mit der Bweza-Gruppe. Es gibt Ereignisse, wie auch vor vielen Jahren meine erste Gorillabegegnung, die nur schwer in Worte zu fassen sind.

Vor und nach der Gorillabegegnung sind wir mit insgesamt 2600 km eine große Runde durch ein schönes Land gefahren, ein Land das aber leider dabei ist seine Naturparks aus wirtschaftlichen Gründen zu zerstören. Hoffen wir auf eine Wende zu nachhaltiger Sicherung der Grundbedürfnisse der Menschen und Tiere, auf die Rettung einer einzigartigen Natur und darauf, dass noch für viele Menschen dieses Naturerlebnis in Zukunft erhalten bleibt.

St.Pierre et Miquelon -wie alles anfing

August 2011

Zwei Aluminiumünzen mit der Aufschrift „St.Pierre et Miquelon“ hatte ich in der Hand beim Durchwühlen einer Kiste mit Münzen aus aller Welt in einem kleinen Amsterdamer Touristenladen. Offensichtlich französisch: 1 und 2 Francs.

Aus eigener Sammlung

Es war in den Mitfünfzigern und ich vielleicht 12 Jahre alt – eine Zeit ohne Internet, Wikipedia und Google. Neben anderen kleinen Münzen, deren Schrift ich nicht lesen konnte, nahm ich diese beiden Aluminiumünzen mit nach Hause – für wenig Geld, denn es gab auch noch keine detaillierten Münzkataloge mit Preisangaben. Meine Neugier war geweckt! Seit einigen Jahren sammelte ich erst Briefmarken, tauschte dann die Briefmarken mit meinem Bruder gegen dessen Münzen ein und erschloss mir so nach und nach die ferne, lockende Welt. Niemand, weder mein Erdkunde- noch der Französischlehrer, konnten mit diesem Ländernamen etwas anfangen. Dabei blieb es zunächst, bis ich auf einen alten Briefmarkenkatalog der Gebrüder Senf stieß, der alle auch noch so kleinen Winkel dieser Welt aufführte, wo je eine Briefmarke erschienen war.

Hier fand ich schließlich St. Pierre et Miquelon, eine Inselgruppe 25 km östlich der kanadischen Küste und südlich von Neufundland. Es ist französisches Überseegebiet, gehört heute somit auch zur EU, und es ist alles, was von der früheren französischen Kolonie Neufrankreich bis heute übrig blieb. Und es ist der westlichste Punkt Europas.

Für heutige jüngere Leser ist dieser Suchprozess (heute Recherche genannt) kaum nachvollziehbar. So eine Frage klärt man heute in Minutenschnelle über Google.

In der Folge suchte ich weiter nach exotischen Münzen, versuchte Inschriften zu entziffern und mich über andere Länder zu informieren. Eines blieb immer im Hintergrund: ich wollte einmal im Leben nach St.Pierre et Miquelon.

Schon früh wurde meine Sehnsucht andere Länder kennenzulernen durch meine reiselustige Mutter weiter forciert. Mit einem Käfer und Zeltausrüstung auf dem Dachgepäckträger zog sie mit uns Kindern los, und oft war auch der eine oder andere Freund dabei, in immer weiter entfernte Orte. Über die niederländische und belgische Nordseeküste und dann in den warmen Süden durch Frankreich nach Italien bis Rom. Im Winter ging es mit dem deutschen Alpenverein nach Österreich und in die Dolomiten zum Skilaufen. Der deutsche Drang nach Süden zu Wärme, Palmen und blauem Meer wurde nach den langen Kriegsjahren und den folgenden nicht leichten Aufbaujahren immer stärker.

Das waren für mich lässige Ferien am Strand und sportliche in den Bergen. Doch unvermeidlich in Italien waren auch die ersten Begegnungen mit Kultur, den Interessen meiner Mutter und älteren Geschwistern folgend, mit Museumsbesuchen und Kathedralen und der Begegnung mit dem alten Rom. Dazu kamen immer mehr persönliche Begegnungen mit Menschen bis hin zu familiären Kontakten. Das war so richtig etwas für mich und mein Interesse am Anderen.

Aber es sollte noch lange dauern, bis ich die fernen Ziele in Asien, Amerika und Afrika erreichte, die ich schon über erste Fantasien, ausgehend von neuen Münzen, kennengelernt hatte.

Und dann war es fast so weit, endlich nach St. Pierre et Miquelon zu kommen.

Wegen einer schon lange bestehend intensiven Familienfreundschaft in Seattle begannen viele Reisen dorthin, mit unterschiedlichen Vor-bzw. Nachprogrammen.

1996 fuhr ich, inzwischen mit eigenen Kindern, von New York nach Seattle und über den Transcanada Highway zurück an die Atlantikküste, mit dem Ziel, am Ende nach St.Pierre et Miquelon zu kommen. Es blieben nur wenige Tage bis zum Rückflug, und dann, welch eine Enttäuschung! Sturm über dem Atlantik und keine Garantie mit dem Schiff rechtzeitig wieder zurückzukommen. Ein Wunsch, der nicht in Erfüllung ging.

Erst viel später, im Jahr 2011, anlässlich eines Kongresses in Toronto, blieb dann endlich genug Zeit nach Neufundland zu fliegen und dort eine 3-Tage Package zu buchen für die Schifffahrt und den Aufenthalt auf dem letzen Stück Frankreich in Nordamerika. Von Fortune Newfoundland bis nach St. Pierre et Miquelon braucht es 55 Minuten.

Nach ruhiger Überfahrt kam das erste Erstaunen bei der Einreise. Bei der Passkontrolle sollten wir schnell durchgewunken werden, und man wollte mir den heiß ersehnten Stempel der Inselgruppe nicht in den Pass geben. Diese Erleichterung der Formalitäten gefiel mir gar nicht, und es brauchte ein bisschen Erklärung des Herzensanliegens zum Erfolg. Erst dann wurde uns bewusst, dass wir als Europäer nur in die EU zurückkamen. Ils sont fous, les Allemands, haben die Grenzer vermutlich gedacht. Aber ich hatte meinen Stempel im Pass und war glücklich.

Endlich der Stempel im Pass

Nach 68 Jahren ging nun endlich mein Wunsch in Erfüllung, diese Inselgruppe zu erleben.

Mit einem Schritt weiter kam der Eintritt in die französische Welt. Das Flair, die Geschäfte, die französischen Restaurants und Cafés und die selbstverständliche Sprache, da geht einem Frankophilen das Herz auf.

Ein Menü der Extraklasse mit ausgezeichneten Weinen genießen wir und das zu Preisen, die in Frankreich undenkbar sind.

Unser Lieblingsrestaurant

Trotzdem ist es nicht leicht, in dieser abgelegenen und vom Klima her unwirtlichen Gegend genügend Franzosen zum Bleiben zu bewegen. Französische Subventionen erleichtern das, indem man hier auf nichts verzichten muss, was man von Frankreich her kennt, vom französischen Wein bis zu …

Besonders deutlich macht sich die einsame Lage auf dem 45. Breitengrad bei einem Ausflug auf den südlichen Teil von Miquelon, „Langlade“. Hier weht ein kühler Wind über die hochwachsenden, dünnen Gräser, die das hügelige Inselland bedecken, so weit das Auge reicht.

Ab und zu ein längst verlassenes ehemaliges Landhaus, selten einmal eine Pferdegruppe, die davon zeugt, dass doch das eine oder das andere noch bewohnt zu sein scheint. Eine angehaltene Zeit.

Grenzgänge

Mai 2016 in New Mexico

Wollen Sie wirklich nach Mexiko? Wir sind falsch abgebogen und stehen plötzlich am Grenzübergang der USA nach Mexiko. Erstaunt verneinen wir und dürfen umdrehen. Auf dem Highway fahren wir jetzt weiter westwärts, entlang der amerikanisch-mexikanischen Grenze. Rechts und links von uns leere weite Wüstenlandschaft und ein tiefer Graben, aus dem von Zeit zu Zeit Polizeiautos der Border Control hochfahren, auf der Suche nach illegalen Einwanderern.

Das schwarze Asphaltband vor uns flimmert in der brennenden Sonne, die uns den ganzen Tag begleitet. Mit dem bequemen Leihwagen, angenehm heruntergekühlt, Drinks auf der Konsole und Tempomat eingestellt, fahren wir entspannt weiter und können dabei die Landschaft vor uns erleben. Dieses Fahr- und Reisegefühl ist in Europa nicht zu haben. Wir sind, ausgehend von Los Angeles, zu einer Rundreise durch die Nationalparks des Südwestens losgefahren, mit einer gedachten Route, einigen festen Zielen, aber ohne genauen Plan außer dem Zwang des Rückflugdatums. Wir „tingeln“ gern und lassen uns überraschen, so auch jetzt, auf der Strecke von El Paso nach Westen, immer entlang der Grenze zu Mexico. Am späten Nachmittag fangen wir normalerweise an, uns um ein Motel zu kümmern. Die kleinen Ortsnamen auf unserer Karte lassen uns in Unsicherheit in dieser Gegend noch eine Unterkunft zu finden. Schon denken wir daran von dieser Grenzstraße zum Highway hochzufahren. Doch dann das Unerwartete: bei der Einfahrt nach Columbus sehen wir zu unserem Erstaunen ein großes Hotelschild. Ohne zu zögern fahren wir vor, und es ist „vacancy“.

Columbus

Nach einem netten Gespräch mit Philip, dem Besitzer des Hotels, checken wir ein. Gegenüber an einem Gebäude wirbt ein großes Plakat für ein Restaurant, und alles scheint bestens zu sein. All dies in einem kleinen, etwas trostlos wirkenden Ort zu finden, hat uns überrascht.

Und dann kamen wir doch nach Mexico ohne die Marshallfrage, ob wir da wirklich hinwollen.

US-Mexikanische Grenze bei Columbus

„Das Restaurant hier ist schon lange geschlossen. Ich fahr mit euch gleich rüber in ein gutes Restaurant in Mexiko, in 10 Minuten geht’s los. Das trifft sich gut. Ich muss da sowieso hin, in dieses Restaurant, deren Sohn ist neuer Schüler bei uns,“ sagt Philip, der Hotelier. Brauchen wir ein Visum für Mexico? Egal wir fahren hier hin und her, das macht nichts. I’`ll drive.Freudige Überraschung und Erstaunen führte in kürzester Zeit dazu, dass sich unser Eindruck von einem kleinen, trostlosen Wüstenort diametral veränderte, und das in mehrfacher Hinsicht. Ich bin Republikaner und Ihr? war der Anfang des Gesprächs im Auto – ein unerwarteter Einstieg. Wir sind social democrats – ohne Kommentar ok.Und dann zeigte sich, wie eng Ideologien und Vorurteile sein können. Wie wichtig es ist, menschliche Begegnungen zu haben und den einzelnen Menschen zu erkennen ohne ihn gleich einzuordnen.

Auf der kurzen Fahrt zur Grenze und danach erfuhren wir seine beeindruckende Lebensgeschichte und die der Menschen in dieser hier grenzüberschreitenden Region. Ursprünglich aus Kalifornien und Unternehmer mit Produktionsstätte im Mexiko, ist er in Columbus geblieben und jetzt Bürgermeister von Columbus, Hotelier, Fremdenführer, Tour Organisator und Schulbusfaher in einer Person.

An der Grenze wurden wir einfach durchgewunken und kamen so in die Provinz Chihuahua.

Gleich hinter der Grenze sehen wir, untypisch für einen kleinen Grenzort, Schilder: American Dental Clinic und Optometrist Clinic. Hier fahren die Amerikaner hin, um zu günstigen Preisen den in den USA so teuren Zahnersatz und andere medizinische Leistungen günstig zu erhalten. Auf amerikanischer Seite gibt es dagegen eine Geburtsklinik, in der mexikanische Kinder bei der Geburt Amerikaner werden, erfahren wir während der kurzen Autofahrt. Als Schulbusfahrer holt unser Begleiter jeden Morgen die Kinder aus Palomas de Villa in die Highschool in Columbus und bringt sie abends wieder zurück. Seit über 50 Jahren fühlen sich die Menschen beiderseits der Grenze als im Grunde eine Kommune. Während er mit den Eltern über ihren Sohn als neuen Schüler der Highschool spricht, genießen wir ein äußerst leckeres mexikanisches Essen und fahren dann wieder, an der Grenze durchgewinkt, ins Hotel zurück.

Puerto Palomas de Villa , Chihuahua, Mexiko -Restaurant La Fiesta
Im Restaurant in Mexiko mit dem Bürgermeister von Columbus

Ein emotionales und unser Denken veränderndes Erlebnis einer gemeinsamen Welt, das einen starken Einfluss auf uns hat und vieles unserer bisherigen Vor-Urteile stark relativiert, weil vieles in neuem Licht erscheint.

Am nächsten Morgen verabschieden wir uns herzlich und fahren weiter westwärts zu unserem nächsten Zielort mit dem in dieser Wüstengegend sehr erwartungsvoll stimmenden Namen Twenty Four Palms.

Mit Cocktails am Pool unter angestrahlten Palmen kehrt dann eine andere Realität schlagartig zurück. Wir genießen den Abend in Gesellschaft eines netten Paares, und dann kommt das Gespräch auf die Politik. Man zeigt uns auf dem Smartphone ein Video als Beweis, dass Hillary Clinton Muslima sei, und wir erkennen, dass wir im Wahlkampf 2016 gelandet sind.

Dies aber konnte unser Erlebnis von Columbus nicht überlagern.

Jetzt, Jahre später im November 2020 mit meinem Projekt über herausragende Momente auf meinen Reisen zu schreiben, kommen die Bilder und Gespräche zurück und die Frage, wie es Columbus ergangen ist.

Die Recherche zeigt Trauer und Hoffnung zugleich. Die Ideologie hat auch Columbus und Palomas nicht verschont. Die beiden Orte haben sich stark verändert und sie getrennt. Aber jetzt erscheint neue Hoffnung am Horizont, dass diese „once-human-border relationship“ (The Economist,26.02.98) wieder auflebt und der Wille ist da, die alten Verbindungen wieder aufzunehmen, bevor es zu spät ist.

Und doch ist jetzt, im Jahre 2025, jeder Austausch wieder vorbei.

Wir sind durch diese Wüstenlandschaft damals im Mai gefahren, und die sonst nur grünen Kakteen blühten in allen Rot- und Gelbfarben. Diese Blüten stehen für das möglich Schöne in dieser Welt und in den zwischenmenschlichen Beziehungen. Es war einige Jahre nur eine Hoffnung, die vielleicht bei der nächsten Blüte zur Gemeinsamkeit zurückführt.

Der Wunsch kommt auf, diesen Ort wiederzusehen.